Eine falsche Aussage allein reicht nicht für eine Verurteilung.
Das Delikt der "falschen Beweisaussage", wegen dem die WKStA gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ermittelt, kann in der Praxis schwierig nachzuweisen sein. Darauf verweisen von der APA befragte Strafrechts-Experten. Denn für Anklage und Verurteilung reicht eine objektiv falsche Aussage alleine nicht aus. Die Ermittler müssten Kurz auch nachweisen, die Falschaussage zumindest für möglich gehalten oder sich damit abgefunden zu haben, den Ausschuss falsch zu informieren.
Auf den ersten Blick ist die Strafbestimmung zur "Falschen Beweisaussage" (§288 StGB) eindeutig: "Wer vor Gericht als Zeuge oder (...) als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt (...) ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen." Diese Bestimmung gilt auch für Untersuchungsausschüsse.
"Bedingter Vorsatz"
Für eine Verurteilung reicht eine objektiv unrichtige Aussage allerdings nicht aus. Zwar müssen die Ermittler dem Kanzler nicht nachweisen, dass er den Ausschuss bewusst frontal angelogen hat. Sehr wohl nachgewiesen werden muss allerdings ein "bedingter Vorsatz", wie Hannes Schütz vom Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kiminologie der Universität Graz gegenüber der APA sagt: "Da reicht es aus, dass man die Tatbestandsverwirklichung ernstlich für möglich hält oder sich damit abfindet." Auch dies könne in der Praxis aber schwer nachzuweisen sein. Im Fall eines Prozesses obliege das der richterlichen Beweiswürdigung.
Ob es zu einer Anklage oder gar einer Verurteilung kommen könnte, will Schütz nicht beurteilen, weil er das laufende Verfahren nicht kommentieren möchte. Sein Innsbrucker Kollege Klaus Schwaighofer rechnet allerdings eher mit der Einstellung des Verfahrens, weil der bedingte Tatvorsatz vermutlich nicht nachzuweisen sein werde, wie er auch "Presse" und "Wiener Zeitung" sagte. "Die Chats belegen ziemlich eindeutig, dass es nicht so gestimmt hat, wie Kurz es ausgedrückt hat", sagt der Jurist. Sollte er allfällig falsche Aussagen auf mögliche Erinnerungslücken zurückführen, wäre das aber schwer zu widerlegen.
Experte rechnet mit Einstellung des Verfahrens
Angesichts der Tatsache, dass diese "doch sehr pikante Geschichte" den Bundeskanzler betrifft, rechnet Schwaighofer eher mit einer Einstellung des Verfahrens als damit, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt und die Beweiswürdigung dem Gericht überlässt. Eher unwahrscheinlich halten sowohl Schütz als auch Schwaighofer eine Diversion, also den Verzicht auf einen Prozess gegen z.B. Zahlung eines Geldbetrages. Beide Strafrechtler verweisen darauf, dass hier auch die "generalpräventive Wirkung" bedacht werden müsste, also die abschreckende Wirkung für andere, ähnliche Fälle.
Klar ist jedenfalls, dass die Letztentscheidung über Anklage oder Einstellung bei Justizministerin Alma Zadic (Grüne) liegt. Denn die Causa ist "berichtspflichtig" und die WKStA müsste nach dem Ende der Ermittlungen einen Vorhabensbericht via Oberstaatsanwaltschaft ans Ministerium schicken, wie ein Sprecher bestätigte. Dort würde auch der "Weisungsrat" mit der Causa befasst.
Dass die Causa überhaupt von der Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wird, begründet ein Sprecher damit, dass dort auch das Ibiza-Stammverfahren liegt. Normalerweise wäre die WKStA für Falschaussage nämlich gar nicht zuständig. Doch die Generalprokuratur habe schon vor Jahren entschieden, dass Ermittlungen wegen Falschaussage gemeinsam mit dem Grundverfahren zu führen seien, heißt es bei der WKStA. Daher habe die Staatsanwaltschaft Eisenstadt auch die diesbezüglichen Ermittlungen gegen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) in der Causa Commerzialbank an die WKStA abgetreten.