Blaue greifen Zadić an

Streit um Kreuz & Kopftuch an Schulen

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Diese Woche ist eine neue Debatte um religiöse Symbole in öffentlichen Räumen entflammt.

Am Dienstag zeigte sich deutlich, wo die Gräben in Sachen Integrationspolitik in der türkis-grünen Regierung verlaufen. Zuerst bezeichnete die für das Ressort zuständige ÖVP-Ministerin Susanne Raab ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen als „möglichen nächsten Schritt“. Grünen-Chef Werner Kogler erteilte dem umgehend eine Absage.

Am selben Abend eröffnete die grüne Justizministerin Alma Zadić – unbewusst – die alte Debatte über ein theoretisches Aus für alle religiösen Symbole in öffentlichen Räumen.

Das wiederum rief prompt die FPÖ auf den Plan, die erklärte: „Finger weg von Kreuzen!“ Und auch Zadićs Regierungskollege, ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann, erklärte gestern: Die Kreuze in den Klassen „werden dort bleiben“. Zudem gebe es ein entsprechendes Urteil des Verfassungsgerichtshofs.

Ministerin käme auch ohne religiöse Symbole aus

Konkret wurde die grüne ­Justizministerin am Dienstagabend in der ORF-Sendung ­Report gefragt, wie sich die von ihr hochgehaltenen Grund- und Freiheitsrechte mit der von Türkis-Grün geplanten Ausweitung des Kopftuchverbots bis zum 14. Lebensjahr vereinbaren ließen (bislang gilt es für Volksschülerinnen). Zadić wollte ein noch ausständiges Urteil des VfGH in dieser Sache abwarten, erklärte aber: „Dass Mädchen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, soll es auch nicht geben.“

„Okay so“

Müsste die Schule dann überhaupt ein religionsfreier Raum werden – sprich: auch kein Kreuz an der Wand? Die Justizministerin: „Ich persönlich bin der Meinung, dass öffentliche Räume ohne reli­giöse Symbole auskommen. Diese Meinung ist in Österreich aber nicht mehrheits­fähig, und das ist okay so.“
Für die Blauen trotzdem ein Affront: FPÖ-Chef Norbert Hofer verlangte in einer erbosten Aussendung sofort „ein klares Bekenntnis“ von VP-Kanzler Kurz zum Kreuz in Schulen, Gerichtssälen „und auf unseren Berggipfeln“.

Klima

Integrationsexperte Kenan Güngör (s. u.) hält ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen in der Pflichtschule hingegen für sinnvoll. Die Politik müsse allerdings darauf achten, dass die Stimmung nicht kippe, und deshalb gute Antidiskriminierungsmaßnahmen treffen.

Kenan Güngör
© APA/HANS KLAUS TECHT
× Kenan Güngör
Integrationsexperte Kenan Güngör

Experte: "Das Verbot wäre vor allem in Volksschule wichtig"

ÖSTERREICH: Wie sehen Sie ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen?

Kenan Güngör: Ich halte es für richtig für die Pflichtschule, aber nicht darüber ­hinaus. Denn es ist für Pädagogen sicher angemessen, sich gegenüber Schülern in diesem Alter mit religiös-weltanschaulichen Symbolen zurückzuhalten. Besonders in der Volksschule, wo die Schüler im Regelfall nur eine zentrale Bezugsperson haben.

ÖSTERREICH: Dann müsste man aber auch die Kreuze im Klassenzimmer verbieten, oder?

Güngör: Das wäre die kategorische Lösung. Man kann aber auch graduell argumentieren. Denn es ist ein Unterschied, wie stark solche Symbole sind und wirken. Eine Lehrerin, die eine Kreuzkette trägt, ist kein Problem, ein ein Meter hohes Kreuz in der Klasse aber schon. Das Kopftuch ist eine sehr starke religiöse Bekundung.

ÖSTERREICH: Was macht so eine Diskussion denn mit dem Klima an den Schulen?

Güngör: Parallel zum Kopftuchverbot brauchen wir ­eine gute Antidiskriminierungspolitik. Sonst entsteht ein zu einseitiges Bild. Wenn permanent über faktische und vermeintliche Probleme gesprochen wird, fördert es die Stimmung gegen Muslime. Diese Polarisierung sollten wir uns nicht leisten.(fis)

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