Im Rahmen des Klimagipfels zeichnet Bundeskanzler Gusenbauer ein düsteres Bild. Man habe jahrzehntelange Versäumnisse aufzuholen.
"In Österreich ist die Trendwende nicht gelungen", erklärte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) am Donnerstag bei der Eröffnung des zweiten heimischen Klimaschutzgipfel. Vor allem bei der Bahn habe es Jahrzehnte einen Mangel gegeben: Man werde in einem Jahr nicht aufholen können, was man in vergangenen Jahrzehnten versäumt habe, so Gusenbauer.
Weltbevölkerung wachgerüttelt
Im Vorjahr sei es der
Wissenschaft gelungen, die Weltbevölkerung wachzurütteln, erklärte der
Bundeskanzler. Es habe auch eine Reihe von "Zeichen der Hoffnung" gegeben,
wie die Frühjahrsgipfel der EU und die Konferenz in Bali im Dezember, die
"hoffentlich" zu einer gemeinsamen Vereinbarung 2009 in Kopenhagen führen
werden. Die EU verstehe sich als "Avantgarde" des Klimaschutzes, alle
Mitglieder müssten ihren Beitrag leisten.
Nach dem ersten Klimaschutzgipfel im Vorjahr habe es eine Reihe von Maßnahmen gegeben; als wichtigstes Element nannte Gusenbauer den Klima- und Energiefonds. Wichtig sei ebenfalls die Entwicklung eines Verfahrens zur Roheisenproduktion. Im Bereich erneuerbare Energien würde man mit dem Ökostromgesetz nicht auskommen, weshalb eine Novellierung diskutiert werde.
"Große Herausforderung"
Eine "ganz große
Herausforderung" sei der Bereich Verkehr, Reduktionsziele würden nur mit
einem "massiven Ausbau des Öffentlichen Verkehrs", insbesondere des
Nahverkehrs, erreicht. Gusenbauer sprach sich auch für eine höhere Lkw-Maut
aus. Thema werde auch eine stärkere Co- bzw. Finanzierung des Öffentlichen
Verkehrs sein: Städte alleine würden das nicht bewältigen können. Besonders
bei der Bahn habe es Jahrzehnte einen Mangel gegeben, viele nun initiierte
Projekte würden erst 2010 fertig werden.
"Ich halte die Diskussion über eine Zusammenführung unterschiedlicher Kompetenzen für sinnvoll", so Gusenbauer. Diese sollte aber gemeinsam mit den Ländern geführt werden. Man werde in einem Jahr nicht aufholen können, was man in Jahrzehnten versäumt habe, meinte der Bundeskanzler. "Zu glauben, dass man die Verantwortung auf einen Einzelnen abschieben kann, damit wird das Weltklima nicht zu retten sein."
Zweifel am Erreichen des Kyoto-Ziels
Im Vorfeld des Klimagipfels
war bekannt geworden, dass sowohl Rechnungshof als auch Umweltbundesamt eine
Erreichung des Kyoto-Ziels anzweifeln - nach den jüngsten Daten klafft
weiter eine große Lücke von 22,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente.
Wabl für Ökosteuer
Im Vorfeld des Klimagipfels sind
zahlreiche Rufe nach einer Ökologisierung des Steuersystems laut geworden.
Der Klimaschutzbeauftragte des Bundeskanzlers Andreas Wabl hatte sich dafür
ausgesprochen, zumal Gusenbauer schon beim ersten Gipfel im Vorjahr über
eine Steuerreform nach ökologischen Gesichtspunkten nachgedacht hatte.
Grundsätzlich hat eine Ökosteuer mehr Sinn als alle aktuellen
Fördermaßnahmen, weil sie "systemgerechter"
funktioniert, glaubt Wabl.
Grüne für Reform sofort
Die Grünen finden, dass die
Umweltschutzorganisationen in der Steuerreformkommission vertreten sein
sollen. Damit könnte im Rahmen der kommenden Steuerreform 2010 das
Steuersystem gleich in Richtung einer Ökologisierung umgebaut werden.
NGOs erinnern an Edlinger
Auch Global 2000, Greenpeace und der
WWF machen sich für eine Ökologische Steuerreform stark. Schon 1998 seien
unter SPÖ-Finanzminister Rudolf Edlinger zwei Varianten diskutiert, dann
aber begraben worden. Die NGOs argumentieren auch mit der Klimabilanz:
Österreich weist einen Treibhausgasausstoß von 91,1 Mio. Tonnen aus. Laut
Kyoto-Protokoll muss die Republik die Emissionen zwischen 2008 und 2012 aber
auf 68,8 Mio. Tonnen jährlich begrenzen.
Pröll lehnt Ökosteuer ab
ÖVP-Umweltminister Pröll kann
der Idee einer Ökosteuer dagegen wenig abgewinnen. "Wir sollten
nicht ständig über Belastung reden", so Pröll am Mittwoch. Er
sieht Potenzial vielmehr in der Wohnbauförderung, z.B. bei der
energieeffizienten Sanierung. Darüber hinaus will er noch mehr
CO2-Zertifikate kaufen, mit denen das Land quasi Verschmutzungsrechte
erwirbt. Die derzeit auf neun Millionen Tonnen angelegten Investitionen
könnten um weitere zwei Millionen Tonnen erhöht werden.
Faymann will mehr Öffis
SPÖ-Verkehrsminister Werner Faymann
will den öffentlichen Verkehr in den Ballungsräumen ausbauen, die Autofahrer
sollen nicht weiter belastet werden. Eine weitere Anhebung der
Mineralölsteuer oder eine kilometerabhängige Pkw-Maut plant er nicht. Was er
sich dagegen vorstellen kann, ist eine höhere Lkw-Maut. Außerdem plädiert
Faymann dafür, den Tanktourismus aus der österreichischen Klimabilanz
herauszurechnen.