Gemeinsamer Besuch mit Wirtschaftsdelegation in "School of Economics" - WKÖ-Präsident Mahrer ortet EU-Verbesserungspotenzial in Bürokratiefragen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist am Donnerstag zum Abschluss seines dreitägigen Arbeitsbesuchs in Schweden mit König Carl XVI. Gustaf zusammengetroffen. Im Königspalast von Stockholm war das Staatsoberhaupt vor dem Rückflug nach Wien zu einem Mittagessen geladen. Zuvor schnupperte der frühere Wirtschaftsprofessor in Begleitung von WKÖ-Präsident Harald Mahrer an der renommierten Stockholm School of Economics noch ein bisschen Universitätsluft.
An diesem elitären Institut, das gleichermaßen öffentlich wie privat finanziert wird, werden selektiv ausgesuchte Studentinnen und Studenten auf interdisziplinäre Weise - auch bewusst mit Künstlicher-Intelligenz-Tools wie ChatGPT - in den Bereichen Sozialwissenschaft, Technologie und Unternehmertum ausgebildet.
Für die mitgereiste Wirtschaftsdelegation war zudem ein Treffen mit dem Schwedischen Rat für Künstliche Intelligenz programmiert. Dort wurde unter anderem diskutiert, wie die KI künftig mehr im öffentlichen Sektor, etwa dem Gesundheitswesen oder dem administrativen Finanzwesen, eingesetzt werden könnte. Für die dazu nötige Datenverwertung bedürfe es freilich eines starken Vertrauens der Gesellschaft in die lokalen und staatlichen Autoritäten. Dieses sei in Schweden wohl größer als in Ländern wie Österreich, so eine Erkenntnis.
Künftige Projekte
Für künftige Projekte müsse Europa zudem gemeinsam am Ausbau der Elektrizitätsversorgung arbeiten und dabei auch bürokratische Hindernisse aus dem Weg räumen, die zu einem gehörigen Wettbewerbsnachteil - etwa gegenüber den USA oder Ländern wie China und Indien - führen würden.
Daher sei Zusammenarbeit gefragt. Verbesserungsbereiche gebe es in der EU vor allem in Bürokratiefragen. "Wir alle zahlen gemeinsam in diese europäischen Töpfe ein", meinte der Wirtschaftskammerpräsident. Daraus könnten etwa österreichische und schwedische Betriebe Gelder beziehen, "um zu wachsen". Aber: "Jetzt stellen wir fest, dass das Antragsstellen für diese Gelder extrem bürokratisch ist, noch bürokratischer als zu Hause. Da könnte man den Hebel ansetzen und den Schmierstoff für dieses wirtschaftliche Getriebe, für diesen Motor, deutlich leichter zum Einsatz bringen." Solche Fragen müssen man "nüchtern und ideologiebefreit im öffentlichen Raum" diskutieren.
Schweden und Österreich seien zwei Länder, die sehr viel in Forschung und Entwicklung sowie in den Innovationsbereich investieren würden, zog WKÖ-Präsident Mahrer Bilanz. Gemeinsam mit Belgien und Schweden zähle man diesbezüglich zu den "Top-drei-Ländern". Dabei sollte man nicht nur von den Besten lernen, "sondern muss auch mit den Besten kooperieren".
Meinungsaustausch in Schweden
Daher sei in Schwedens Hauptstadt seit Dienstag ein Meinungsaustausch insbesondere zu den Themen "Künstliche Intelligenz, Zukunft der Forstwirtschaft, Transformation der Energiesysteme, Life Science, Medikamente oder Medizintechnologien" geführt worden, also Bereichen, die "den Menschen in der Zukunft ein gesünderes und längeres Leben ermöglichen" sollten, analysierte Mahrer. "Da gibt es so viele Felder, wo die Schweden top aufgestellt sind und wir auch. Und da wollen wir natürlich diese Schätze gemeinsam heben."
Bezüglich des Investments in Forschung und Entwicklung seien die Strukturen in Schweden und Österreich "sehr ähnlich", konstatierte Mahrer. Ein Problem sei aber, dass die Konkurrenz rund um den Globus zunehme. "Daher müssen wir mehr machen und dürfen uns nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen."
Die EU müsse auch darauf achten, aufstrebende Wirtschaftsräume nicht aus den Augen zu verlieren, warnte Mahrer im APA-Gespräch. "Das ist ein wichtiges Thema. Wir haben globale Herangehensweisen unter dem Radar." So passiere nicht nur in Großmächten wie China oder Indien "extrem viel", sondern auch in Ländern wie Singapur, Südkorea, Vietnam oder Mexiko, "ohne dass das den Leuten bei uns eigentlich so bewusst ist". Den exportorientierten Betrieben in Österreich sei dies aber schon klar.
"Wir preisen uns aus dem Markt"
Es stelle sich folgendes Problem: "Wir preisen uns aus dem Markt." Zwar hätten Länder wie Schweden oder Österreich "eine tolle Forschung", könnten aber am Ende des Tages wegen "extrem teurer Rahmenbedingungen, hoher Energiepreise, hoher Lohnnebenkosten, hoher Bürokratiekosten nicht mehr mithalten".
Damit seien aber auch viele Arbeitsplätze verbunden. Es gebe in Österreich und Europa "einfach Systemnotwendigkeiten, deren Umstellung dauern wird", so Mahrer. Die EU-Länder müssten dringend neue Akzente setzen. "Wir brauchen in ein paar zentralen Bereichen große Schritte nach vorne. Das berühmte Schlagwort Energieunion heißt einfach, sich im Energiebereich so aufzustellen, dass die Preise nicht durch die Decke gehen."
Autokratische Staaten wie China hätten es natürlich leichter, die Bürokratie einzudämmen, indem auf Umweltverträglichkeit oder Bürgerbedenken kaum Rücksicht genommen werden müsse. Es gehe dabei etwa um Themen wie "Energiesicherheit, eine sichere Infrastruktur, die auch leistbar ist". China habe leicht lachen und sage: "Ihr schießt euch ja mit zwei Schrotflinten gleichzeitig in die Knie und lähmt euch selber, bevor ihr zum Sprinten anfangt."
EU braucht sich nicht verstecken
Dennoch bräuchten sich Europa und die EU nicht zu verstecken. "Ich glaube, das Kreativitätspotenzial und Innovationspotenzial ist bei uns trotzdem größer. Ich kann nicht alles mit staatlicher Planung verordnen und umsetzen. Da sind wir supersmart aufgestellt, und das muss man unterstützen."
Auch Van der Bellen hatte am Mittwoch angesichts der zahlreichen Gespräche zu ökonomisch-technologischen Themen in Stockholm insbesondere die wirtschaftliche Kompetenz der EU gelobt. Angesichts der Marktchancen, welche durch die Europäische Union geöffnet worden seien, sagte der Bundespräsident in offensichtlicher Anspielung auf die FPÖ-Kampagne im EU-Wahlkampf: "Es ist kein Wahnsinn, was da passiert ist."
Nach einem Meinungsaustausch mit Schwedens konservativ-liberalem Premier Ulf Kristersson konstatierte Van der Bellen am Mittwoch zudem: "Die Kooperation in Europa funktioniert, zumindest im wirtschaftlichen Bereich." Hinsichtlich der kommenden Europawahlen fügte er hinzu: "Verlieren wir nicht den Blick auf das Wesentliche: Die Europäische Union hat ihre Mitgliedsstaaten wohlhabender, friedlicher und freier gemacht. Jeder und jede kann bei der Wahl in drei Wochen dazu beitragen, diese Erfolgsgeschichte fortzusetzen."
Aktuelle Herausforderungen
Gerade angesichts der aktuellen innereuropäischen und internationalen Herausforderungen "brauchen wir ein starkes Europa dringender denn je." er sehe "eine ähnliche Situation wie in den 1950er Jahren bei der Gründung der Vorläufer der Europäischen Union", kam Van der Bellen etwas ins Grübeln. "Das waren politische Innovationen, die es auch heute außerhalb von Westeuropa nicht gibt. Und was das heute bringt, ist uns zu wenig bewusst." Es stelle sich die Frage, "welche Herausforderungen wir heute lösen müssen, um nicht morgen ein böses Erwachen zu haben".
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