Bundespräsident erteilt bei Besuch in Baden-Württemberg Absage an Nationalismus - Europa "Haupttreffer in der Geburtsortlotterie".
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Donnerstag in seiner "Rede zu Europa" anlässlich eines Besuches bei Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) dem Nationalismus in Europa erneut eine Absage erteilt. "Es ist kein guter Deal, die europäische Solidarität aufzukündigen", sagte Van der Bellen laut Redetext im Weißen Saal im Neuen Schloss in Stuttgart.
"Manche Nachbarn" würden sich über Austritte aus der Union "nur allzu sehr freuen", sagte der Bundespräsident. Sie fänden es einfacher, mit jedem Staat einzeln zu verhandeln, "statt mit der geballten Macht eines geeinten Europa". In einer Zeit, "in der internationale Beziehungen wieder konfrontativer werden", hat die Union seiner Ansicht nach eine einzigartige globale Schlüsselrolle inne. Sie müsse für Dialog, internationale Zusammenarbeit und Multilateralismus sowie die Einhaltung internationaler Verträge und Menschenrechte eintreten. "Wer sonst?", fragte der Bundespräsident.
"Verantwortung und Solidarität"
Eine gegenwärtige Herausforderung für die Union ist laut Van der Bellen, die "Lehren aus dem letzten Jahrzehnt" zu ziehen und die EU widerstandsfähiger gegen Wirtschafts- und externe Krisen zu machen. Für den Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsstaaten sei es wichtig, ein "Gleichgewicht zwischen individueller Verantwortung und Solidarität" zu finden. Um das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union zu stärken, müsse die EU ihre Problemlösungskompetenz unter Beweis stellen, ist Van der Bellen überzeugt.
Er kritisierte in seiner Rede "die Rhetorik des Ausschließens, die gerade modisch ist". Man müsse sich nicht zwischen der Liebe zu seinem Heimatland und der Liebe zu Europa oder der "Hilfsbedürftigkeit der eigenen Landsleute und jener anderer" entscheiden. Europa sei ein Kontinent des "Und", und nicht des "Entweder/Oder". "Wir können unser Heimatland lieben UND die europäische Idee", betonte Van der Bellen. "Wir können unseren Landsleuten helfen UND ausländischen Mitbürgern. Wir können uns selber nützen UND zum größeren Wohle aller beitragen."
In Europa geboren zu sein, bezeichnete er als "Haupttreffer in der Geburtsortlotterie". Es gelte, die Union als Wertegemeinschaft zu verteidigen, meinte der Präsident. Seiner Ansicht nach werden Werte "in der Regel nicht durch einen einmaligen Handstreich gefährdet", der klar erkennbar sei. Am meisten seien sie durch die "Salamitaktik" in Gefahr, sagte Van der Bellen und wies darauf hin, dass es sich dabei um keine Anspielung auf Ungarn handle. Es werden nach und nach "Kleinigkeiten abgezwackt", die kaum auffielen, "bis am Ende nichts mehr da" sei.
"Ein Glück, dass wir Europäer sind"
"Dass wir Europäerinnen und Europäer sind, ist ein Glück, das wir uns im Nachhinein verdienen müssen", erinnerte Van der Bellen am Schluss seiner Rede, mit der auch sein Besuch in Baden-Württemberg zu Ende ging. Bei seinem Aufenthalt standen laut Präsidentschaftskanzlei "Forschung, Wirtschaft und Zukunft Europas" im Fokus.