"Die ÖVP wird viel zu tun haben"

Vranitzky: 'Gewaltige Bruchstellen in der EU'

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Der Ex-SPÖ-Kanzler im ÖSTERREICH-Interview zum EU-Vorsitz von Österreich und dem Zustand der EU.

ÖSTERREICH: Was kann der EU-Vorsitz bewirken?

Franz Vranitzky: Österreich wird ein guter Gastgeber sein. Wir werden unsere Kulturgüter und die hervorragende Gastronomie einsetzen. Die ernsthaftere Seite daran ist, eine Führungsqualität zu entwickeln in einer Zeit, in der die EU durchgerüttelt wird. Das Flüchtlingsthema dominiert alles, Brexit und EU-Budget kommen noch dazu. Ich traue der Regierung zu, dass sie den Vorsitz sehr engagiert führt. Zurückhaltung in der Einschätzung ist deshalb gegeben, weil in der Regierung nicht nur europapolitisch konstruktive Kräfte sitzen.

ÖSTERREICH: Sie sprechen damit die FPÖ an?

Vranitzky: Die meisten in der FPÖ stehen Europa nicht positiv gegenüber. Sie hat sich im EU-Parlament den Rechtspopulisten angeschlossen, Strache fraternisiert mit dem Rechtsrabauken Salvini in Italien. Die ÖVP wird viel zu tun haben, diese Scharte auszuwetzen.

ÖSTERREICH: Ist die Euro­päische Union Ihrer Einschätzung nach in der Krise?

Vranitzky: Das Wort Krise hat einen dramatischen Anstrich. Doch man darf nicht die Augen davor verschließen, dass es gewaltige Bruchstellen gibt. Viele nationale Regierungen sitzen nicht ­gerade fest im Sattel und ­haben innenpolitisch starke Gegenspieler. Deutschland ist da nur das prominenteste Beispiel der letzten Wochen. Das wirkt sich natürlich auf die Schlagkraft der ganzen Europäischen Union aus.

ÖSTERREICH: Fürchten Sie eine Spaltung Europas?

Vranitzky: Das zu beurteilen, ist eine Temperamentfrage. Eines ist aber sehr ernst zu nehmen: Wir beobachten in etlichen EU-Staaten die Tendenz zur Rückkehr zum Nationalstaat. Die EU ist auf dem Gemeinschaftsgedanken aufgebaut. Viele wirken zusammen an einem Projekt. Doch wie Trump sagen immer mehr EU-Staaten: „Wir machen uns das selbst.“ Das ist ein Holzweg.

Debora Knob

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