Vizekanzler will die ÖVP weiter von Aufnahme der Flüchtlingskinder überzeugen.
Krise, Krach und harte Worte? Immerhin attestierte Werner Kogler dem Kanzler in Sachen Reisebestimmungen mangelnde Sensibilität. In ÖSTERREICH erklärt er, warum es trotzdem gut läuft.
ÖSTERREICH: Die Corona-Zahlen sinken nur leicht – ist ein dritter Lockdown im Jänner noch zu verhindern?
Werner Kogler: Die Zahlen haben sich auf hohem Niveau zwar, aber dennoch eingependelt. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir ja im Teil-Lockdown bleiben. Ich bin vor allem optimistisch, weil wir da ja einige Bremsen eingebaut haben, ich meine unter anderem die Teststrategie. Wir wollen bestimmte Berufsgruppen verpflichtend testen, auch die Bewohner bestimmter besonders belasteter Regionen. Davon verspreche ich mir einiges.
ÖSTERREICH: In der Koalition scheint es immer mehr zu rumpeln: Vor einer Woche haben Sie den Kanzler „unsensibel“ genannt, weil er vor rückreisenden Migranten aus den Balkanstaaten gewarnt hat. Zuletzt gab es Ärger über eine Passage, die der Polizei Corona-Kontrollen in Wohnungen erlaubt hätte. Was ist da los?
Kogler: Zum Ersten: Ich stimme mit dem Kanzler völlig überein, dass es Reiserestriktionen braucht. Es geht nicht an, dass etwa Leute von Vorarlberg in die Schweiz Partymachen fahren – oder im Osten nach Prag oder Bratislava. Und wir sind uns auch einig, dass Partytouristen, die im Sommer aus Kroatien zurückkehrten, ihren Anteil an den steigenden Zahlen hatten. Und was diesen Querverweis im Gesetzesantrag betrifft, das wurde sofort korrigiert. Am Ende zählt das Ergebnis, das ist in beiden Fällen okay.
ÖSTERREICH: Haben Sie mit dem Kanzler über diese Migranten-Sache gesprochen?
Kogler: Natürlich, und wir sind uns einig, dass es diese Reisebeschränkungen braucht für alle, die aus Ländern mit hohen Infektionszahlen kommen, und zwar jetzt einmal bis 10. Jänner. Der Rest bleibt unter uns.
ÖSTERREICH: Noch ein Konflikt: Seit Tagen schießt die ÖVP-Wirtschaft gegen Ihre „Koalitionswelt“, den Klimaschutz, sowohl was die neue NoVA für „Stinker“ betrifft als auch das EU-Klimaziel. „Das Beste aus beiden Welten“, hieß es. Da greift doch die „türkise Welt“ die grüne an.
Kogler: Also, ich habe das mit den beiden Welten nie so gesehen. Es gibt eine Welt – aber völlig verschiedene Zugänge. Die Wirtschaftskammer ist am Ende eine gesetzliche geregelte Lobbyingorganisation, das ist schon in Ordnung. Auch hier zählt das Ergebnis: Die neue NoVA wird dafür sorgen, dass die Fuhrparks rascher ökologisiert werden. Und gerade bei den EU-Klimazielen waren der Kanzler und ich bestens koordiniert.
ÖSTERREICH: Es läuft also alles bestens?
Kogler: Richtig – gemessen an den Herausforderungen.
ÖSTERREICH: Eine Sache wohl nicht – und das sind die Flüchtlingskinder auf Lesbos, die in der Kälte im Dreck sitzen. Starten Sie vor Weihnachten einen neuen Versuch einer Aufnahme?
Kogler: Wir geben da nicht auf, auch wenn es für die Aufnahme von diesen Familien – es geht ja nicht nur um die Kinder – im Parlament keine Mehrheit gibt. Wir versuchen jetzt einen neuen Anlauf: Einerseits, indem wir uns mit den kirchlichen Hilfsorganisationen kurzschließen, und andererseits mit ÖVP-Bürgermeistern reden. Viele hätten nämlich Plätze für diese Familien. So wollen wir den Druck erhöhen – vielleicht kommt es ja da doch zu guten Lösungen.
Günther Schröder