Der FPÖ-Chef studiert Auftritte, Interviews und Kampagnen des Ex-Ober-Blauen.
Kickls Vorbild. Bereits bei seiner Aschermittwoch-Rede wurde klar, wie sehr Jörg Haider wieder in den Fokus von Herbert Kickl rückt. Drei Mal nahm er Bezug auf den einstigen FPÖ-Langzeit-Chef, der sich später von den Blauen abspaltete. Vergessen alle Beschimpfungen, die Kickl 2005 für seinen einstigen Mentor übrig hatte.
Jetzt soll jener Haider, der die FPÖ ab 1986 von Sieg zu Sieg und dann 2002 in die Abwärtsspirale führte, wieder das große Vorbild sein.
FPÖ-Insider berichten, dass Kickl Haider immer stärker kopiere: Das beginne mit Fotos vom Bergsteigen und ende mit dem Kleidungsstil und dem Hang, möglichst dünn zu sein.
Wichtiger: Er studiert auch sämtliche Kampagnen. Der junge Kickl arbeitete in den 1990er-Jahren eng mit Haiders damaligem Wahlkampfmanager Gernot Rumpold zusammen. Er begleitete die extrem aufwendigen Wahlkampftouren Haiders. Jetzt schaue er sich altes Filmmaterial an – von Jörg Haiders Wahlkampfautritten, von seinen Reden und seinen Interviews. Dabei scheint er freilich nur die eine Seite des ersten Rechtspopulisten Österreichs zu kopieren: die aggressive, die brutal gegen alle politisch Andersdenkenden herzieht. Die Wandlungsfähigkeit, die Haider hatte, „fehlt ihm, sagt aber etwa Wolfgang Rosam, der Haider in seiner PR-Zeit gut kannte.
Ein Wegbegleiter von Kickls ehemaligem Chef Haider – er will lieber anonym bleiben – „findet, dass Kickl völlig anders als Haider ist“. Ihm fehle „Haiders Charisma“.
Ganze Sätze und alte Themen übernommen
Dass Kickl Haider wieder verehre, bezweifeln Kenner beider Herren. Das sei vielmehr eine durchdachte Strategie.
Immerhin führte Haider die FPÖ bereits 1999 auf Platz zwei mit knapp 27 Prozent.
Schimpfen über 1968er. Dabei geht das Kopieren manchmal etwas zu weit. Etwa wenn Kickl im Jahr 2024 über die „1968er“ herzieht. In den 1980er- und 1990er-Jahren machte das für den 1950 geborenen Haider, der 1968 an die Uni in Wien (Juridikum) kam, Sinn. Für den erst 1968 geborenen Kickl – und wohl sehr viele seiner Wähler – fehlt hingegen dieser Kontext.
Ähnliches gilt für die fast wörtlich von der Haider-FPÖ übernommenen Sätze gegen das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.
Gag-Schreiber. Teilweise kopiert sich Kickl freilich bloß selbst. Immerhin steuerte er etwa in manchen Wahlkämpfen „Gags“ für Haider bei. Diese waren „immer die besonders aggressiven“, die Haider zwar „Stimmen einbrachten, aber auch immer wieder erneut zum Paria machten“, meint ein Freiheitlicher.
Die Frage, die sich viele in der blauen Welt nun stellen: Schafft Kickl zumindest teilweise die Wandlungsfähigkeit Haiders? Also sowohl gekonnt vor Industriellen, Arbeitern wie auch einem wütenden Publikum geschmeidig aufzutreten? Bislang schaffte er das freilich nicht.
Sollte er dem Modell Haider im Wahlkampf weiter folgen, müsste er im Ton nun sanfter werden und seine Angriffe zurückschrauben und sich mit moderateren Freiheitlichen umgeben. Danach schaut es derzeit nicht aus. Aber vielleicht kopiert Kickl ja nicht den Haider von 1999 und danach, sondern jenen von 1986 und die darauffolgenden Jahre.
Aggressiv gegen alle Andersdenkenden, von den Deutschnationalen durchgetragen, mit keinen Berührungsängsten vor Waffen-SSlern und Rechtsextremisten – das war der frühe Haider, als Kickl gerade einmal 20 Jahre alt war und Haider bereits bewunderte. Die berühmte „Buberlpartie“ Haiders wurde erst später mächtiger. Teile von denen holt übrigens Kickl nun zurück ...