Die Vision einer atomwaffenfreien Welt soll nächste Woche ein kleines Stück näherrücken. Im Wiener Austria Center findet von Dienstag bis Donnerstag die erste Konferenz der Mitgliedsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags statt, der seit Anfang 2021 in Kraft ist.
Freilich boykottieren alle Atommächte die vom österreichischen Spitzendiplomaten Alexander Kmentt geleitete Konferenz. Immerhin sind mit Deutschland und Norwegen zwei NATO-Staaten als Beobachter dabei.
61 Staaten haben den mit dem englischen Akronym TPNW abgekürzten Vertrag mittlerweile ratifiziert, 15 weitere unterschrieben. Wie es aus dem Außenministerium hieß, werde ein Teil der Vertragsparteien auf Ministerebene vertreten sein, der Großteil durch Spitzenbeamte. Bei der ersten Konferenz gehe es formell darum, die für die Umsetzung des Vertrags erforderlichen Entscheidungen zu treffen - etwa zu Finanzierung oder Geschäftsordnung.
Ukraine-Krieg spielt große Rolle
Im Außenministerium räumt man ein, dass sich der Kontext der Konferenz durch den Ukraine-Krieg massiv verändert hat. Bei Beschluss des Vertrags habe man nämlich "nicht ahnen können, wie dramatisch Atomwaffen ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken würden" und dass nun sogar "sehr sorglos über den Einsatz von taktischen Atomwaffen gesprochen wird", obwohl auch diese verheerende Wirkungen haben und mit ziemlicher Sicherheit eine Eskalationsspirale in Gang setzen würden.
Die Welt stehe diesbezüglich vor einer "Weggabelung", heißt es im Wiener Außenamt. In Europa sehe es derzeit nicht nach einer Abkehr von Atomwaffen aus und es könnte zu einem neuen nuklearen Wettrüsten kommen, doch "für die 150 Staaten der restlichen Welt" stelle sich die Lage ganz anders dar. Diese würden die Entwicklungen im Ukraine-Krieg mit großer Sorge sehen, hofft man in Wien auf den Beginn einer Trendwende weg von Atomwaffen.
Österreich will Druck machen
Österreich will die Konferenz dafür nutzen, den Druck in Richtung eines Atomwaffenverbots zu verstärken. Dafür veranstaltet das Außenministerium am Montag eine eigene Expertenkonferenz zu den humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen. Wie es aus dem Ministerium hieß, soll dabei ein möglichst umfassender Überblick über die Risiken von Atomwaffen geboten werden - von Umweltschäden durch Atomtests bis zu den Auswirkungen durch Hyperschallraketen oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Militärbereich. Als Redner ist dabei auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) angekündigt.
Aus österreichischer Sicht ist der Verbot von Atomwaffen "der einzige gangbare Weg", den massiven Sicherheitsrisiken zu begegnen. Der Atomwaffensperrvertrag (NPT) habe sich in den vergangenen Jahren nämlich zunehmend ineffektiv bei der Zurückdrängung von Nuklearwaffen erwiesen. Und solange Atommächte ihre Waffen als Statussymbol und Teil ihres Sicherheitskalküls sehen, werden sie diese kaum freiwillig abgeben. "Die einzige Methode ist die Ächtung", verweist man im Außenministerium etwa auch auf das schon seit Jahrzehnten bestehende Verbot von chemischen und biologischen Waffen. Diese könnten zwar theoretisch weiterhin eingesetzt werden, doch sei klar, dass ein Staat, der dies tue, "keinen legitimen Platz in der Weltgemeinschaft" mehr habe.
NATO-Mitglieder im Zwiespalt
Diplomaten berichteten gegenüber Journalisten von massivem Druck, der etwa auch von westlichen Staaten auf mögliche Teilnehmer ausgeübt worden sei. Konkret wurden Schweden oder die Schweiz genannt, die um ihre Zusammenarbeit mit der NATO fürchten. Diese bezeichnet sich nämlich seit dem Jahr 2010 explizit als nukleare Allianz, weswegen kein NATO-Mitglied dem Atomwaffenverbotsvertrag bisher beigetreten ist. Fünf NATO-Mitglieder (Deutschland, Italien, Belgien, Niederlande und die Türkei) beherbergen US-Atomwaffen, die USA, Großbritannien und Frankreich sind selbst Atommächte. Im Außenministerium wird der Druck aber als Zeichen dafür gesehen, dass sich die Atommächte vor dem "Momentum" durch den Atomwaffenverbotsvertrag fürchten.
Bereits am Wochenende veranstaltet die Internationale Kampagne gegen Atomwaffen (ICAN) eine zweitägige Konferenz in Wien, bei der neben Experten auch Opfer von Atomtests sprechen sollen. Die Kampagne war im Jahr 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Erst diese Woche beklagte ICAN die nukleare Aufrüstung. Im Vorjahr hätten die Atommächte mit 82,4 Milliarden Dollar (79 Mrd. Euro) um fast neun Prozent mehr für ihre Nukleararsenale ausgegeben als im Vorjahr. Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine warnte die Kampagne vor dem wachsenden Risiko eines Atomwaffeneinsatzes.