Briefwahl

Opposition ortet Manipulation in Wien

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Verfassungsjuristen zeigen sich zurückhaltend zu möglichen Folgen.

Die Wiener Gemeinderatswahl vom Sonntag war von einer Reihe von Manipulationsvorwürfen begleitet. Vor allem FPÖ, ÖVP und Grüne erhoben Anschuldigungen in Richtung SPÖ, die Wahlen zu ihren Gunsten beeinflusst zu haben, etwa durch Sammelbestellungen von Wahlkarten für Geriatrie-Patienten. SPÖ und Wahlbehörde hatten derartiges bereits zurückgewiesen. Verfassungsexperten erklärten, Vorwürfe müssten im Einzelfall geprüft werden, sofern es eine Wahlanfechtung durch eine der wahlwerbenden Parteien gibt.

Wahlkarten im Paket
Erste Beschwerden waren schon vor dem Wahlsonntag aufgetaucht. So hatten die Wiener Grünen behauptet, dass von der SPÖ für demente Menschen in Pflegeheimen Wahlkarten im Paket geordert worden seien - und zwar ohne Wissen der Betroffenen. Außerdem habe man wiederholt SPÖ-Wahlhelfer und -kandidaten dabei beobachtet, wie türkischstämmige Migranten in der Öffentlichkeit dazu gebracht wurden, eine Vollmacht zur Beantragung einer Wahlkarte auszustellen, so die Vorwürfe. Die Wahlbehörde hatte dies bereits als "völlig unhaltbar" zurückgewiesen. Derartig behauptete Pauschalbeantragungen seien "nicht möglich".

Wahlkarte ausgefüllt
Am Wahltag selbst kam es erneut zu Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten. So sollen Wähler in zwei Fällen bereits ausgefüllt Stimmzettel erhalten haben. In der Leopoldstadt wurde einer Wählerin ein teilweise ausgefüllter Stimmzettel ausgehändigt: Bei den Vorzugsstimmen stand bereits ein Name. Der Stimmzettel stammte von einem Wähler, der mit Wahlkarte im eigenen Sprengel wählen wollte. Er erhielt einen neuen Stimmzettel aus dem Stapel. Der in seiner Wahlkarte enthaltene Stimmzettel - diese werden mitgeschickt, um Wählen per Brief zu ermöglichen - wurde seinerseits auf den Stapel im Wahllokal gelegt und offenbar an die nächste Wählerin ausgehändigt. Erst sie stellte dann fest, dass der Mann vor ihr das Vorzugsstimmenfeld bereits ausgefüllt hatte. Der Wahlleiter entschuldigte sich für das Versehen.

In Ottakring soll es laut ÖVP zu einem ähnlich gelagerten Fall gekommen sein. Die Bezirkswahlleiterin hatte bereits am Sonntag Unregelmäßigkeiten in Abrede gestellt. Möglicherweise hätten Musterstimmzettel zu einem Missverständnis geführt, hieß es.

"Wahlbetrug"
Die FPÖ ortete in Meidling Fälle von "Wahlbetrug". Dort habe es "mindestens drei dokumentierte Fälle" gegeben, in denen Wahlkarten bereits ausgefüllt gewesen seien. In Favoriten sei einem Wähler der Stimmzettel verweigert worden, da er eine Wahlkarte beantragt habe. Nach weiteren Nachforschungen sei festgestellt worden, dass die Unterschrift des Wählers gefälscht worden sei. Die FPÖ verlangte noch am Wahltag eine Sonderprüfung durch die Stadtwahlbehörde.

Die in der Vergangenheit oftmals kritisierte Frist für das Einlangen der Briefwahlstimmen bei der Wahlbehörde könnte durch eine Werbe-Botschaft von VP-Kandidatin Christine Marek erneut ins Gerede kommen: In der Montagsausgabe der "Presse" wirbt sie - wie berichtet - um spätentschlossene Wahlkartenwähler: "wien hat gewählt. aber wahlkarten können sie auch heute noch abschicken. ihre christine marek", heißt es dort. In der ÖVP sprach man von einem "Fehler". SPÖ, Grüne und FPÖ gaben sich empört.

"Problematisch"
Verfassungsexperte Theo Öhlinger sieht ein derartiges Vorgehen "in hohem Maße problematisch". Aufgrund der momentanen Gesetzeslage sei derartiges aber schwer bekämpfbar. Das Wahlrecht besagt, dass die Wahlkarten bis Wahlschluss (also Sonntag 17.00 Uhr) ausgefüllt werden müssen - kontrolliert wird dies freilich nicht. Abgeschickt werden können die Wahlkarten auch später - sie müssen lediglich am achten Tag nach der Wahl bei den Wahlbehörden eingelangt sein.

Wahlanfechtung
Wie wahrscheinlich eine Wahlanfechtung (diese muss durch eine der wahlwerbenden Parteien geschehen) sein könnte, wollten Öhlinger und seine Kollegen am Montag nicht einschätzen. Auch die Frage, ob eine solche Anfechtung wegen der genannten Vorwürfe Erfolg haben könnte, sei schwierig. Erfolgt eine Wahlanfechtung, so müssten die Wahlbehörden, gegebenenfalls der Verfassungsgerichtshof prüfen, so Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Sollte Rechtswidrigkeit festgestellt werden, ist das alleine noch kein Grund zur Aufhebung der Wahl. Nur wenn allfällige Rechtswidrigkeiten auch Einfluss auf die Wahl gehabt haben könnten, wird das Wahlergebnis aufgehoben, so Funk.

Für Öhlinger zeige die Debatte jedenfalls das, "was viele vorhergesagt haben", nämlich, dass die Briefwahl "sehr manipulationsanfällig" sei. Nicht nur die Nachfrist für das Einlangen der Wahlkarten-Stimmen, sondern die "Tatsache der Briefwahl an sich" sei ein Problem.

Auch Verfassungsrechtler Mayer verwies darauf, dass nur ein Fehler, "dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können", zu einer Wahlaufhebung führen könnte. Das alleinige Anfordern von Wahlkarten ohne das Wissen der Betroffenen würde dafür etwa noch nicht reichen, so der Experte.

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