Das sagt ÖSTERREICH

Bitte nicht wieder einen Schmäh-
Kompromiss

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Gestern Abend – zum Zeitpunkt, als diese Kolumne geschrieben wurde – war völlig offen, ob diese Regierung heute zum Scheidungsrichter und in Neuwahlen geht. Oder so weiterarbeitet, als wären sie ziemlich beste Freunde.

Das alleine zeigt schon, wie absurd diese Koalition geworden ist. Wenn man am Tag der Entscheidung nicht weiß, ob man weitermachen will, sollte man dringend Schluss machen. Eine Regierung, die nicht mehr weiterarbeiten will, aber weiterstümpern muss, ist das Letzte, was dieses Land braucht.

Alles spricht seit Wochen für Neuwahlen: Diese Koalition wird keine wichtige Reform mehr stemmen. Die politischen Visionen sind konträr. Jeder blockiert jeden.

Kanzler Kern hat dieses Pro­blem erkannt. Er weiß, dass er mit dieser Regierung keinen Blumentopf mehr gewinnen wird – schon gar nicht seine Visionen von „Plan A“ umsetzen kann. Deshalb will er wählen. Und er hätte beste Chancen, die Neuwahl zu gewinnen.

Warum Kern sich bis gestern nicht getraut hat, die einzige Lösung „Neuwahl“ anzusagen, kann man nur erahnen: Aus Taktik, weil derjenige, der Neuwahlen provoziert, verliert? Aus Angst, bei Neuwahlen doch nicht Erster zu werden? Aus Bequemlichkeit?

Man kann nur hoffen, dass das Theater des „Krisengipfels“ dem Kanzler die Augen geöffnet hat. Dass er endlich den Mut zu Neuwahlen hat. Dass er den Neustart wagt – und das Land endlich auf die Überholspur bringt.

Stattdessen ist zu befürchten, dass wir heute die Wiederholung des Endlos-Theaters erleben: Alle machen weiter, verkünden einen faulen Kompromiss – bis zum nächsten Streit.

Gott bewahre uns heute vor dem nächsten Schmäh-Kompromiss. Die Wähler haben dieses Krisentheater samt anschließender Versöhnung so was von satt, dass sie zu Recht immer frustrierter werden.

Der Kanzler hat heute die Chance zu Neuwahlen. Er sollte sie nützen. Sonst könnte er samt dieser Keiner-will-mehr-Koalition in den politischen Abgrund fahren …

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