Ein neues Konfliktthema aufgetaucht. Es geht um eine Änderung der Regelungen zur Verjährungshemmung, die Anwälte im Buwog-Verfahren beim Verfassungsgerichtshof zu erkämpfen versuchen. Während Justizvertreter davor warnen, ist in der Koalition ein politischer Streit ausgebrochen.
Wien/Linz. In der Justiz ist ein neues Konfliktthema aufgetaucht. Es geht um eine Änderung der Regelungen zur Verjährungshemmung, die Anwälte im Buwog-Verfahren beim Verfassungsgerichtshof zu erkämpfen versuchen. Während Justizvertreter davor warnen, ist in der Koalition ein politischer Streit ausgebrochen. Das Justizministerium wollte eine Stellungnahme für die alten Regelungen, was das Verfassungsministerium blockierte.
Rechtlich ist es so, dass die Regierung vom Höchstgericht in entsprechenden Verfahren um eine Art rechtliche Einschätzung gebeten wird. Verzichtet sie darauf, ändert das am Verfahren nichts. Darauf macht auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im Gespräch mit der APA aufmerksam. So hätten sich etwa bei einer Klima-Klage auch Finanz- und Klimaschutzministerium nicht auf eine Stellungnahme der Regierung einigen können.
Zudem betont Edtstadler, dass der VfGH imstande sei, selbst eine Entscheidung zu treffen. Bei der Sterbehilfe hatte sich die Regierung bei ihrer Stellungnahme für die geltende Regelung eingesetzt, dennoch sei sie gekippt worden.
Edtstadler drängt auf Verbesserungen
Dass es jetzt kein gemeinsames Schreiben gibt, begründet die Verfassungsministerin damit, dass die Frage der Verjährung "möglicherweise" ein Ansatzpunkt für die Reform der Beschuldigtenrechte sein könnte. Hier drängt ja Edtstadler schon seit längerem auf Verbesserungen, etwa was Verfahrensdauer und Kostenersatz angeht. Klar sei dabei freilich, dass ein Entziehen aus dem Verfahren etwa durch ein Abtauchen ins Ausland nicht vor Verjährung schützen können dürfe. Vom Justizministerium verlangt Edtstadler nun Vorschläge. Denn eine entsprechende Willenskundgebung zum Ausbau der Beschuldigtenrechte (im Konnex mit dem Bundesstaatsanwalt) seitens der Regierung gebe es bereits seit 2021 und man sei seit damals keinen Millimeter weitergekommen.
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatte davor im Ministerrat gemeint, man müsse Edtstadler selbst fragen, wenn man wissen wolle, warum das Verfassungsministerium die gemeinsame Stellungnahme blockiert. Von ihrer Seite hätte es sie gegeben.
Zadic verwies darauf, dass etwa bei Korruptions- und Terrordelikten aber auch bei organisierter Kriminalität die Ermittlungen oft länger dauern würden. Seit Gründung der Zweiten Republik seien die Verjährungsfristen "ein Kernelement der Verbrechensbekämpfung". In fast allen westlichen Demokratien gebe es ähnliche Regelungen, um zu verhindern, dass man sich so einer Verurteilung entziehen kann.
Justizsprecherin: keine Veranlassung, aktuelle Regelung aufzuheben
Die SPÖ ist auf gleicher Linie. Justizsprecherin Selma Yildirim meinte in einer Aussendung, sie sehe keine Veranlassung, die aktuelle Regelung aufzuheben: "So lange ermittelt wird, darf es auch keine Verjährung geben, das wäre völlig kontraproduktiv." Die NEOS schlossen sich dem an. Dem Ansinnen sei "mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten", meint NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter und betont: "Die derzeitigen Verjährungsbestimmungen im Strafgesetzbuch haben sich seit dessen Inkrafttreten im Jahr 1972 durchaus bewährt. Das Manöver der ÖVP sei sehr durchschaubar - ihr wäre eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Verjährungshemmung natürlich sehr willkommen, schließlich seien es ihre Leute, die die Korruptionsermittler am meisten beschäftigten.
Inhaltlich ganz auf Seite von Grünen und NEOS sind die Staatsanwälte. Sollten die angefochtenen Regelungen ersatzlos wegfallen, würde man keine Möglichkeit haben, die Verjährung von Straftaten zu stoppen, so der Vizepräsident der Staatsanwältevereinigung, Bernd Ziska, zur APA.
Hintergrund ist, dass im Buwog-Prozess erstinstanzlich Verurteilte die Regeln zur Verjährungshemmung beim VfGH angefochten haben. Eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen im Strafgesetzbuch (konkret betroffen ist der gesamte Paragraph 58) durch den VfGH hätte nicht nur Konsequenzen für den konkreten Fall. Betroffen wären dann automatisch auch alle anderen Strafverfahren.
Ziska meint dazu: "Das kann man nicht wollen." Der Staatsanwälte-Vertreter kann sich aber nur schwer vorstellen, dass das Höchstgericht den Paragrafen tatsächlich kippt. Der VfGH habe erst vor etwa zwei Jahren in einem Verfahren um die Verfahrensdauer bei Strafverfahren die Verjährungsbestimmungen geprüft.
Verjährungsfristen jetzt schon problematisch
Problematisch sei nur, wenn Straftaten gar nicht verjähren, meinte Ziska. Das würden sie aber ohnedies - die Verjährung werde durch Ermittlungsschritte der Behörden bzw. der Gerichte nur gehemmt. Er hoffe jedenfalls, dass es keinen Anlass für eine Aufhebung gibt. Sollte dies doch geschehen und vor allem ohne Frist zur Reparatur, hätte dies weitreichende Konsequenzen.
Schon derzeit seien die Verjährungsfristen für manche Delikte relativ kurz. Die Verjährungsfrist beginnt bereits mit dem Ende der Ausführung der Tat und wird erst mit Ermittlungsschritten wie der ersten Einvernahme des Beschuldigten oder dessen Ausschreibung zur Fahndung gehemmt. Da man aber im Regelfall zunächst gegen unbekannte Täter ermittelt, läuft die Frist zunächst.
Gerade im Vermögensbereich dauert es laut Ziska aber manchmal bereits einige Zeit, bis eine Tat einmal bekannt wird und sich die Opfer an die Behörden gewendet haben. Für Diebstahl (Strafdrohung sechs Monate bzw. Geldstrafe, Anm.) beträgt sie etwa ein Jahr. Daher sei man schon jetzt oft sehr knapp dran mit manchen Verjährungsfristen. Verliere man nun auch noch die Möglichkeit, die Fristen mit bestimmten Ermittlungsfristen zu stoppen, würden die Täter straffrei ausgehen.
Gegen eine Änderung der Verjährungsregeln spricht sich auch die stellvertretende Vorständin des Instituts für Strafrecht der Uni Wien, Ingeborg Zerbes, aus. Dies halte sie nicht für angezeigt, meinte sie im Ö1-"Mittagsjournal". In der Schweiz gebe es etwa absolute Verjährungsfristen, die unabhängig von Ermittlungsschritten der Behörden laufen. Damit habe man zuletzt etwa das Verfahren im Umfeld der FIFA in den Sand gesetzt. "Aus meiner Sicht halte ich absolute Fristen für die undifferenzierte Methode. Wenn man eine differenzierte hat, sollte man diese lassen."