In Tokio schließt sich ein Kreis für die Judokämpferin - danach soll es ins "All" gehen.
Sabrina Filzmoser hat sich damit beschäftigt, wie es sein wird, wenn sie am Montag zum letzten Mal in ihrer Karriere für ein Judoturnier auf die Matte steigt. Passieren wird das bei den Olympischen Spielen im Nippon Budokan in Tokio, wenn ihre Gewichtsklasse bis 57 kg angesetzt ist. "Ich weiß, es kann meine Emotionen so packen, dass es zu viel ist. Aber ich weiß auch, das packe ich", sagte die Oberösterreicherin. "Egal was kommt, ich kann den Moment einfach genießen."
Ihre Auftaktgegnerin, die Niederländerin Sanne Verhagen (8. Kampf nach 04.00 Uhr MESZ/Matte 1), ist laut Nationaltrainerin Yvonne Bönisch "definitiv an einem guten Tag machbar". Die Tagesform sei entscheidend. "Sabrina hat hart trainiert, es war ihr Traum, in Japan die Karriere zu beenden. Das hat sie mit Hartnäckigkeit erreicht und dem Siegeswillen, den sie jeden Tag mitbringt, der sie motiviert. Ich glaube nicht, dass sie der Druck und die emotionale Geschichte aus der Bahn werfen."
"Japan ist ständig im Wandel"
Die 41-jährige Filzmoser ist eine, die sich auch vom Moment überraschen lässt. "Diese japanische Philosophie, Ichi-go ichi-e, nur der Moment zählt", das habe sie bereits mit Reisebeginn gespürt. Sie habe auf dem Flug nach Tokio im Cockpit die Landung miterleben können. Als Climate Ambassador des Judo-Weltverbandes habe sie sich im Vorfeld näher mit den Gegebenheiten im olympischen Dorf etc. beschäftigt, wo auf Nachhaltigkeit gesetzt wird. "Das ist das Japan, das ich so gern habe, das ständig im Wandel ist."
Für Filzmoser schließt sich ein Kreis. Bei ihrem ersten Japan-Aufenthalt 1997 trainierte sich im Kodokan, der ältesten und bedeutendsten Judoschule der Welt. Und so war es auch 24 Jahre später. "Mit dem Training im Kodokan aufzuhören, ist schon sehr, sehr speziell." Japan ist für sie weit mehr als nur das Mutterland des Judo. "Die Philosophie, die Art des Trainings und die Lebensweise habe ich selbst aufgenommen."
Auch für die Zeit danach ist die Europameisterin von 2008 und 2011 sowie zweifache WM-Dritte (darunter Tokio 2010) gerüstet. Egal, was kommen mag. "Die letzten Monate waren extrem schwierig und herausfordernd, weil die Verletzungen schwieriger waren, als es ausgeschaut hat. Aber ich hatte immer eine Aufgabe im Kopf, habe viel nebenbei gemacht", sprach Filzmoser ihre Entwicklungsprojekte in Bhutan und Nepal an, sowie die weiterführende Ausbildung zur Helikopterpilotin.
Berwerbung als Astronautin
Und dann kam noch etwas ganz Spezielles dazu. "Irgendwann gab mir jemand den Tipp, dass die ESA das erste Mal seit 2008, glaube ich, wieder Astronautenbewerbungen ausschreibt. Ich dachte erst, er meint das im Scherz. Aber viel von dem, was man dazu braucht, ist bei mir zugetroffen. Dann war es nicht so schwer, den Schritt zu machen. Der recht aufwendig ist." Einige Wochen benötigte sie für die Anmeldung, Mentoren standen zur Seite. "Ich habe mir gedacht, wenn die alle dran glauben, dass ich das schaffen kann, dann mache ich das. Egal ob 22.000 andere sich auch bewerben." Frühestens 2022 wird sie wissen, was daraus wird.
Für ihr Umfeld sind Filzmosers Gedankengänge und Vorhaben nicht immer gleich nachvollziehbar. Letztlich machte sie ihr oftmaliges Scheitern selbst zäher und ihr dann Erreichtes die Beobachter verständnisvoller. "Nach einem Kreuzbandriss fünfzig Tage später den ersten Wettkampf wieder gewinnen. Probleme mit den Bandscheiben. Acht Infiltrationen in zehn Monaten - dann merken die Leute erst, dass es funktioniert. Die Familie steht voll hinter mir." Sie sei dankbar, dass sie niemand fallen lasse, sondern dass sie Unterstützung zurückkriege.