Afghanistan könnte bald das Geld ausgehen, denn wichtige Geberländer drehen nun den Geldhahn zu.
Kabul: Nach der Machtübernahme der Taliban drehen die USA und internationale Organisationen Afghanistan vorerst den Geldhahn zu.
Währungsreserven eingefroren
Die US-Regierung und die Notenbank haben Medienberichten zufolge den Großteil von Afghanistans Währungsreserven eingefroren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erklärte, weil es momentan keine Klarheit über eine Anerkennung der afghanischen Regierung gebe, könne das Land bis auf weiteres nicht auf IWF-Mittel zugreifen.
Und mehrere Geberstaaten haben den Taliban bereits mit einem Ende der Unterstützung gedroht. Aus dem US-Finanzministerium hieß es, es gehe darum, die Währungsreserven nicht in die Hände der Taliban fallen zu lassen, wie unter anderem die "Washington Post" berichtete. Der nach der Machtübernahme der Taliban außer Landes geflohene bisherige afghanische Zentralbankchef Adschmal Ahmadi twitterte, rund sieben Milliarden Dollar (rund sechs Milliarden Euro) der Reserven seien bei der US-Notenbank in Verwahrung. Davon seien 1,2 Milliarden Dollar in Goldbarren. Solche Reserven werden häufiger in der New Yorker Filiale der US-Notenbank gelagert. Ahmadi erklärte, weitere zwei Milliarden Dollar seien anderweitig international angelegt, darunter 700 Millionen Dollar bei der in Basel ansässigen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS).
Nur Zugriff auf 0,2, Prozent
Die Taliban hätten daher wohl nur Zugriff auf bis zu 0,2 Prozent der Währungsreserven. "Nicht viel", schrieb Ahmadi. Weil in Afghanistan bisher deutlich mehr US-Dollar ausgegeben als eingenommen wurden, war die Zentralbank zudem auf regelmäßige Lieferungen von US-Bargeld angewiesen. Ahmadi zufolge hat die Zentralbank nun aber kaum mehr US-Dollar, weil die Lieferungen angesichts des Vormarsches der Taliban eingestellt worden seien. Der Mangel an US-Dollar könnte zu Kapitalkontrollen, einer Begrenzung von Abhebungen und zu einem Verfall des Kurses der örtlichen Währung führen. Weil Afghanistan viele Waren importiert, könnte dies auch die Inflation in die Höhe schnellen lassen - was vor allem ärmere Afghanen hart treffen würden.
Eines der ärmsten Länder der Welt
Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die afghanische Regierung war bisher relativ stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Diese dürften nun von Geberländern gegenüber den Taliban als Druckmittel eingesetzt werden. Deutschland hat seine Zahlungen für dieses Jahr eingefroren - zugesagt waren 430 Millionen Euro. Die USA, der größte bilaterale Geber, hatten für den Haushalt 2022 mehr als drei Milliarden US-Dollar Hilfen für Afghanistan eingeplant.
Vom IWF sollte Afghanistan in Kürze eine Erhöhung der Reserven bekommen, die dem Land rund 450 Millionen US-Dollar Liquidität beschaffen sollte, wie das "Wall Street Journal" berichtet. Die Maßnahme liegt nun auf Eis. Die Weltbank, die Projekte in Afghanistan finanziert, erklärte am Donnerstag lediglich, Priorität habe nun zunächst die Evakuierung der Mitarbeiter und von deren Familien.
Taliban mit Sanktionen belegt
Die Taliban sind seit langem mit Sanktionen belegt, die ihnen unter anderem internationale Finanztransaktionen massiv erschweren dürften. Im Gegenzug für eine internationale Anerkennung und finanzielle Unterstützung dürften Geberländer auf eine Einhaltung grundlegender Freiheitsrechte pochen. Ob sich die Taliban darauf einlassen werden, ist bestenfalls eine offene Frage. Sie hatten das Land bereits von 1996 bis 2001 regiert und mit einer extrem strengen Anwendung des islamischen Rechts - bis hin zu Steinigungen mutmaßlicher Ehebrecherinnen - international für Entsetzen gesorgt.
Das Land nimmt über legale Exporte kaum Devisen ein - damit bleibt vor allem der Anbau von Schlafmohn und die Ausfuhr von Opium als Einnahmequelle. Afghanistan produziert UNO-Angaben zufolge rund 85 Prozent des weltweit hergestellten Opiums, dem Grundstoff von Heroin. Während ihrer früheren Regierungszeit hatten die Taliban den Anbau von Opium zumindest offiziell verboten. Berichten zufolge blieb der Handel mit dem Stoff aber stets eine sehr wichtige Einnahmequelle für die militant-islamistische Gruppe.