Opferzahl steigt weiter

Anschlag mit Sprengstofflaster: Fast 100 Tote in Mogadischu

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Opferzahl steht noch nicht fest - Universität für fünf Tage geschlossen.

Mogadischu (APA/dpa/AFP) - Bei einem der verheerendsten Sprengstoffanschläge der vergangenen Monate sind am Samstag in Somalias Hauptstadt Mogadischu knapp 100 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Unter den Opfern waren demnach zahlreiche Studenten sowie zwei türkische Staatsbürger.
 
Nach Angaben von Informationsminister Abdi Hayir Maareye traf am Sonntag ein türkischer Militärtransporter mit einem Ärzteteam in Mogadischu ein, um bei der Versorgung der zahlreichen Verwundeten zu helfen. Einige von ihnen sollen außerhalb des Landes in der Türkei behandelt werden, hatte Ministerpräsident Hassan Ali Khaire angekündigt. Viele Bewohner strömten zum Blutspenden in die städtischen Krankenhäuser.
 
Augenzeugen hatten von einem Bild der Verwüstung gesprochen, nachdem ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen an einem Kontrollpunkt in einem belebten Stadtviertel während des morgendlichen Berufsverkehrs in die Luft geflogen war. Obwohl es zunächst kein Bekennerschreiben gab, wird hinter dem Anschlag die terroristische Al-Shabaab vermutet.
 
Al-Shabaab kämpft in dem Land am Horn von Afrika seit Jahren um die Vorherrschaft. Die sunnitischen Fundamentalisten beherrschen Gebiete im Süden und Zentrum Somalias und verüben immer wieder Anschläge.
 
Weltweit gab es scharfe Verurteilungen der Sprengstoffattacke. Papst Franziskus sprach den Angehörigen "des schrecklichen Attentats" sein Mitgefühl aus und rief am Sonntag zum Gebet für die Opfer auf. UNO-Generalsekretär António Guterres forderte dazu auf, die Verantwortlichen für dieses "schreckliche Verbrechen" zur Rechenschaft zu ziehen und sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. "Unsere Haltung ist klar", betonte EU-Ratspräsident Charles Michel auf Twitter, "Europa wird Afrika im Kampf gegen den Terrorismus weiter unterstützen."
 

Bierlein drückt Mitgefühl aus

 
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein sprach von "schrecklichen Nachrichten aus Mogadischu. Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer dieser Anschläge", erklärte die Bundeskanzlerin am Samstag über Twitter. "Ich wünsche allen Verletzten rasche Genesung." Auch Russland verurteilte den "barbarischen Anschlag". Der blutige Angriff von Extremisten habe offenbar darauf abgezielt, die Lage in Somalia zu destabilisieren, erklärte das Außenministerium in Moskau. Russland werde die Regierung Somalias weiterhin bei ihren Bestrebungen um eine Aussöhnung des Landes und bei den Vorbereitungen von Wahlen unterstützten.
 
Mogadischus Bürgermeister Omar Mohamed Filish hatte bereits kurz nach der Explosion von 90 Verletzten gesprochen. Die genaue Opferzahl steht noch immer nicht fest. Wegen der enormen Zerstörung sei die Bestimmung der Opferzahl schwierig, teilte die Polizei mit. Unter den Toten sind nach Polizeiquellen auch fünf Polizisten sowie zwei türkische Staatsbürger. Bei ihnen handelt es sich nach ersten Erkenntnissen um Straßenbau-Ingenieure.
 
"Alles, was ich sehen konnte, waren verstreute Leichen, manche davon bis zur Unkenntlichkeit verbrannt", sagte der Augenzeuge Sakariye Abdukkadir. Ein Student der privaten Banadir-Universität sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Explosion habe auch einen Kleinbus zerstört, in dem sich Kommilitonen von ihm befunden hatten. Im Krankenhaus habe er die sterblichen Überreste von 16 Studenten gezählt. Ein 17. Student habe überlebt, weil er kurz vor dem Anschlag aus dem Bus ausgestiegen sei, um im Finanzamt etwas abzuholen.
 
 "Das ist ein schwarzer Tag", sagte der Präsident der Banadir-Universität, Mohamed Mohamud Hassan. Eltern, die ihre Kinder zum Studieren geschickt hätten, müssten nun deren Leichen abholen. Die Universität werde wegen des Anschlags fünf Tage lang geschlossen bleiben.
 
Die Explosion ereignete sich im Westen der Stadt in der Nähe der Steuerbehörde. Über dem Ort der Explosion - einer Kreuzung von vier Straßen - stand weithin sichtbar eine große Rauchwolke. Durch die Wucht der Detonation wurden auch zahlreiche Gebäude beschädigt. Noch Stunden später suchten Anrainer dort verzweifelt nach Opfern.
 

Explosion in stark frequentiertem Gebiet

 
"Die Gegend war voller Menschen, die zur Schule oder zum Einkaufen in die Stadt fuhren, als sich der schreckliche Anschlag ereignete", sagte Regierungssprecher Mukhtar Omar. Nach Polizeiangaben wurden durch die Explosion in der Früh auch zwei Minibusse mit Schulkindern an Bord schwer beschädigt. Augenzeugen berichteten von aufgerissenen Karosserien und völlig zerfetzten Fahrzeugen. Verzweifelt versuchten einige der Helfer, Verwundete auf Eselskarren oder Fahrrädern in die nächstgelegenen Krankenhäuser zu bringen.
 
Die Zahl der Toten stieg ständig. "Wir haben mittlerweile fast 100 Menschen, die bei dieser schrecklichen Attacke getötet wurden", hatte Polizeioffizier Ahmed Bashane der Deutschen Presse-Agentur am Samstagnachmittag erklärt. Allein im städtischen Medina-Krankenhaus wurden bis zu Mittag 73 Tote und Dutzende Verwundete gezählt, im Dahir-Elmi-at-Shafi-Hospital acht Tote und zahlreiche Verwundete.
 
Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed Farmaajo rief die Bevölkerung zum Zusammenhalt beim Kampf gegen "den Feind der Menschenwürde" auf und erklärte: "Das einzige Ziel, das die Terroristen in unserem Land verfolgt haben, ist das wahllose Töten unschuldiger Menschen."
 
Die terroristische Al-Shabaab verübte zuletzt bevorzugt Anschläge auf Hotels, öffentliche Gebäude oder Plätze und auch auf Regierungseinrichtungen. Die Fundamentalisten sind auch jenseits der Grenzen Somalias aktiv.
 
Nicht immer geben sich die Islamisten dabei als Urheber der Anschläge zu erkennen. Das gilt auch für den bisher folgenschwersten Anschlag in Mogadischu, bei dem im Oktober 2017 mehr als 500 Menschen ums Leben kamen. Anhänger der Gruppe werden auch hinter zahlreichen Entführungen vermutet. Die US-Streitkräfte unterstützen die Regierung im Kampf gegen die Gruppe mit Luftangriffen und bilden Soldaten aus. Zudem leistet eine Truppe der Afrikanischen Union (AU) Unterstützung.
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