Durch seine Ankündigung, bei der Europawahl anzutreten, hatte Michel einen potenziellen EU-Ratspräsidenten Orban erst möglich gemacht.
Brüssel/EU-weit/Budapest. Nach seiner Ankündigung, bei der Europawahl antreten zu wollen, wehrt sich EU-Ratspräsident Charles Michel gegen Vorwürfe, dass dadurch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ab Juli möglicherweise EU-Gipfeltreffen vorsitzen könnte. Es gebe "Werkzeuge, um Orban zu verhindern, wenn der politische Wille dazu bestehe", beteuerte der Belgier laut Nachrichtenagentur Reuters. Michels Mandat läuft regulär bis Ende November - nun könnte der Posten aber bereits im Juli frei werden.
Voraussetzung dafür ist freilich, dass Michel ins EU-Parlament gewählt wird - das gilt als sehr wahrscheinlich. Haben die EU-Staats- und Regierungschefs bis zu diesem Zeitpunkt keinen Nachfolger für Michel ernannt, übernimmt der Regierungschef jenes Landes, das zu dem Zeitpunkt den EU-Ratsvorsitz innehat - so sehen es die EU-Verträge und -Verfahrensregeln vor. Ab Juli 2024 wäre Ungarn und somit Viktor Orban am Zug. Dieser ist unter anderen EU-Spitzenpolitikerinnen und -politikern sehr umstritten, unter anderem wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken in seinem eigenen Land und weil er jüngst EU-Entscheidungen zur Ukraine blockierte.
Der liberale Politiker und ehemalige belgische Premierminister Michel verweist darauf, dass im Prinzip bereits im Juni beim EU-Gipfel eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger ernannt werden sollte. Diese oder dieser könne also bereits im Juli übernehmen. Am Samstag hatte Michel angekündigt, für die französischsprachigen Liberalen (MR; Mouvement Réformateur) ins Europaparlament ziehen zu wollen. Medienberichten zufolge könnte er mit dem Schritt das Ziel verfolgen, Spitzenkandidat der europäischen Liberalen (Renew) und in weiterer Folge EU-Kommissionspräsident zu werden.