Umsturz in der Energiewirtschaft

Billiges Gas könnte Aus für US-Atomkraftwerke bedeuten

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Atomstrom kann mit niedrigeren Preisen kaum mehr konkurrieren.

Der US-Stromerzeuger Duke Energy hat sich entschlossen, sein beschädigtes Atomkraftwerk (AKW) Crystal River in Florida stillzulegen, anstatt den Reaktor für mehrere Milliarden Dollar zu reparieren. Die Entscheidung könnte Signalwirkung in den USA haben, denn ein Grund dafür sind die stark gesunkenen Gaspreise.

Nach Ansicht von Energie-Analysten können die Umstände für Dukes Entschluss zwar nicht verallgemeinert werden. Denn hier spiele auch eine Rolle, dass die Strompreise in den Bundesstaaten mit stark liberalisiertem Energiemarkt seit Jahren im Keller sind. Aber es ist nicht zu übersehen, dass der Druck auf die Unternehmen wegen des großen Angebots an billigem Erdgas steigt. "Die wirtschaftlichen Bedingungen im Energiemarkt sind wegen der Erdgas-Schwemme hart, besonders für jene, die in liberalisierten Märkten tätig sind", sagte Tony Pietrangelo vom Nuclear Energy Institute (NEI). Die Gewinnspannen für AKW-Betreiber in diesen Märkten seien in den vergangenen Jahren ohnehin schon gesunken, und zwar wegen des Preisdrucks und der geringeren Nachfrage aufgrund der Rezession.

Duke, das größte US-Energieunternehmen, begründet die Stilllegung des seit 2009 abgeschalteten Reaktors mit steigenden Kosten für die notwendige Reparatur. Diese könnten sich demnach auf mehr als drei Milliarden Dollar summieren, die Instandsetzung könne bis zu acht Jahre dauern. Dagegen wäre der Neubau eines Gaskraftwerks vergleichbarer Kapazität in nur drei Jahre abgeschlossen und würde nur etwa eine Milliarde Dollar kosten. Daher sei die Errichtung eines Gaskraftwerkes eine der Alternativen, die als Ersatz für den Crystal-River-Reaktor erwogen würden.

Diese Kalkulation bestätigt der Analyst Hugh Wynne von Sanford C. Bernstein: "Man kann Ersatz-Energie heute viel billiger kaufen als früher, und man kann Ersatzkapazitäten in Form von Gaskraftwerken auch viel billiger erstellen."

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Atomkraftwerke waren um das Jahr 2000 herum sehr lukrativ, weil die Gaspreise seinerzeit in die Höhe schossen. Diese Situation hat sich in den USA komplett umgekehrt, vor allem durch die boomende Produktion von Schiefergas, das an vielen Stellen im Land durch neue Förderverfahren kostengünstig gewonnen wird, aber aus ökologischen Gründen umstritten ist. Der durchschnittliche Gaspreis sank 2012 auf den tiefsten Stand seit 13 Jahren.

"Der Gaspreis ist so gefallen, dass er ein Problem für die Atombranche geworden ist", sagt UBS-Energieanalyst Julien Dumoulin-Smith. "Für den Atomstrom ist es schwerer geworden, damit zu konkurrieren."

Die niedrigen Gaspreise haben aber nicht nur Auswirkungen auf die Atomindustrie. Für viele Energieerzeuger wird es auch immer unwirtschaftlicher, in ihre alten Kohlekraftwerke zu investieren, um die strengeren Umweltauflagen zu erfüllen. Seit 2009 haben die Betreiber angekündigt, in den kommenden Jahren Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 40.000 Megawatt zu schließen. Die Atomkraftwerke dürften die nächsten sein.

Der erste Reaktor, der dem billigen Gas zum Opfer fallen wird, ist der Kewaunee-Reaktor im Bundesstaat Wisconsin. Der Betreiber Dominion Resources will ihn noch in diesem Jahr schließen und gab als einen Grund den Preisdruck durch das Schiefergas an. Analyst Dumoulin-Smith sieht vier weitere Reaktoren auf der Streichliste. Zusammen mit den AKWs Kewaunee und Crystal River wären das rund vier Prozent der gesamten Atomstromkapazität der USA.

NEI-Experte Pietrangelo weist allerdings darauf hin, dass diese noch aktiven Reaktoren problemlos laufen und kostengünstig Strom erzeugen - ohne Treibhausgase zu emittieren. Der aktuelle Druck auf die Atomindustrie komme auch durch die liberalisierten Märkte in den fraglichen Bundesstaaten. Dort gelte, dass der Preis alles bestimmt, sagte Pietrangelo. Andere Werte wie ökologische Ziele spielten keine Rolle - und das führe zu rein wirtschaftlichen Entscheidungen.

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