Rechte Szene empört

Deutscher Präsident wegen Weihnachtsrede unter Beschuss

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Schmähbriefe gegen Gauck..

Eine Welle von bösen Briefen hat in den letzten Wochen das Schloss Bellevue, den Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten erreicht. Auch im Internet wird gegen das Staatsoberhaupt getrommelt. Die rechte Szene wirft ihm Heuchelei und Lüge vor.

Einen Monat nach dem Weihnachtsfest könnte das Thema erledigt sein. Doch die Ansprache von Bundespräsident Joachim Gauck zu den Festtagen erbost immer noch das rechte Lager. Jetzt wurde bekannt, dass seither fast 1.000 Protest-Briefe, Faxe oder Mails im Schloss Bellevue eingegangen sind. Darüber berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag. Ein Sprecher des Präsidialamtes bestätigte, dass viele der Schreiber "harsche und kritische Worte" an Gauck gerichtet hätten. Das ist eine relativ freundliche Beschreibung.

Der entscheidende Satz in der Fernsehansprache, über den sich die rechten und fremdenfeindlichen Kritiker aufregen: "Sorge bereitet uns auch die Gewalt: in U-Bahnhöfen oder auf Straßen, wo Menschen auch deshalb angegriffen werden, weil sie schwarze Haare und eine dunkle Haut haben."

Nicht nur in persönlichen Protestbriefen, auch auf den einschlägigen Seiten im Internet schlagen die rechten Gauck-Kritiker Krach. Da heißt es zum Beispiel: "Gauck erklärt alle Deutschen zu rechtsradikalen U-Bahn-Schlägern, die Leute mit schwarzen Haaren und dunkler Hautfarbe totschlagen."

Oder: "Das passt dann alles zu unserem Bundespräsidenten Gauck, der ja auch überall blonde deutsche herrenrassige Schläger sieht, die U-Bahnen durchstreifen und dunkelhäutige Migranten anrempeln, um sie dann zusammenzuschlagen oder gar zu ermorden."

Bei nicht wenigen Kritikern schwingt auch so etwas wie Enttäuschung mit. "Bundespräsident Joachim Gauck stellte in seiner Weihnachtsansprache in puncto Heuchelei und Lüge so ziemlich alle seine Vorgänger weit in den Schatten."

Möglicherweise hatten Angehörige der rechten Szene falsche Erwartungen, als Gauck im März 2012 das höchste Staatsamt übernahm. Immerhin waren eher wohlwollende Worte über den umstrittenen Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin überliefert: "Er ist mutig und er ist natürlich auch einer, der mit der Öffentlichkeit sein Spiel macht", sagte Gauck. Und: "Mein Eindruck ist, dass der Herr Sarrazin nicht ein Problem erfunden hat."

Vielleicht auch wegen dieser Zitate wurde Gauck in seiner Antrittsrede als Bundespräsident besonders deutlich: An die Adresse von Rechtsextremisten gerichtet sagte er: "Euer Hass ist unser Ansporn." Zweifel an seiner Haltung gab es aber eigentlich nie: Vor seiner Wahl war Gauck Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - für Demokratie" - engagiert gegen Fremdenfeindlichkeit. Ende 2012 findet er dann klare Worte beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft und fordert einen "Mentalitätswandel" gegenüber Asylwerbern.

Und dennoch sind anscheinend Menschen enttäuscht - und schreiben böse Briefe an den Bundespräsidenten. Der antwortet sogar - oder lässt antworten: "Rassistische Gewalt exemplarisch anzusprechen und als widerwärtig zu benennen, bedeutet nicht, über Fälle anders motivierter Gewalt zu schweigen."

Und dann schlägt das Antwortschreiben den Bogen zu den Gewalttaten der NSU-Terrorzell, auf deren Konto die Morde an neun Einwanderern und einer Polizisten gehen. Am 18. Februar empfängt er die Angehörigen der Opfer des Neonazi-Trios. Gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus - das ist ein zentrales Anliegen seiner Amtszeit. Eigentlich keine Überraschung.

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