Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat CDU-Chef Friedrich Merz zum deutschen Bundeskanzler ernannt.
Er überreichte ihm am Dienstagnachmittag auf Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde, womit die Amtsgewalt als Kanzler auf Merz überging. Der CDU-Politiker hatte zuvor im Bundestag erst im zweiten Durchgang die erforderliche Mehrheit für die Wahl zum Kanzler erhalten - ein bisher beispielloser Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik.
"Mit leichter Verspätung aber umso herzlicher mein Glückwunsch zur Wahl", sagte Steinmeier, als er Merz empfing. "Von mir aus gutes Gelingen für das, was vor Ihnen liegt", fügte er hinzu, bevor er wie vorgeschrieben den Text der Ernennungsurkunde verlas.
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Merz erhielt in geheimer Abstimmung 325 Ja-Stimmen und damit neun mehr als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament. Merz nahm die Wahl an. "Ich bedanke mich für das Vertrauen, und ich nehme die Wahl an", sagte er auf eine entsprechende Frage von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner.
Im ersten Wahlgang hatten Merz überraschend sechs Stimmen gefehlt. Das war in der Geschichte der Bundesrepublik in der Form ein Novum: Noch nie war nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag durchgefallen.
Gesamtes Kabinett soll noch heute vereidigt werden
Jetzt fährt Merz zurück in den Bundestag und spricht dort den Amtseid. Auch die Ernennung und Vereidigung der 17 Ministerinnen und Minister soll noch heute stattfinden. Dem Kabinett gehören zehn Männer und acht Frauen an. CDU und SPD stellen jeweils sieben Minister und Ministerinnen, die CSU drei. Vizekanzler und damit zweitmächtigster Mann im Kabinett nach Merz ist der künftige Finanzminister Lars Klingbeil (SPD).
Die Erwartungen sind groß. Im Inland hoffen die Menschen vor allem auf die Ankurbelung der seit langem schwächelnden deutschen Wirtschaft. Im Ausland warten die europäischen Verbündeten seit dem radikalen Kurswechsel in der US-Außenpolitik unter Präsident Donald Trump darauf, dass Deutschland als wirtschaftsstärkstes und bevölkerungsreichstes EU-Land wieder voll handlungsfähig wird - gerade mit Blick auf die Bedrohung aus Russland und die Konkurrenz aus China.
Dobrindt will sofort Grenzkontrollen verschärfen
Besonders große Aufmerksamkeit wird in den ersten Tagen bekommen, was der designierte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) zur Eindämmung der irregulären Migration angekündigt hat. "Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert", hatte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag" gesagt.
Ebenfalls am Mittwoch will Merz seine ersten Antrittsbesuche in den Nachbarländern Frankreich und Polen absolvieren. Warschau ist alles andere als begeistert von den deutschen Plänen zur Kontrolle der Grenzen. Das dürfte Thema beim Treffen von Merz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk sein. Mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron wird Merz vor allem darüber sprechen, wie die europäische Souveränität gestärkt werden kann.
Stocker und von der Leyen gratulieren umgehend
Bundeskanzler Christian Stocker gratulierte Merz umgehend auf der Plattform X. "Eine gemeinsame Grenze bedeutet auch gemeinsame Verantwortung - ich freue mich auf eine freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen uns und unseren Regierungen."
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte Merz zur Wahl zum Bundeskanzler. "Ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit", schrieb von der Leyen am Dienstag im Onlinedienst Bluesky. "Wir werden uns gemeinsam für ein starkes und wettbewerbsfähigeres Europa einsetzen."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wünscht sich von Merz Führungsstärke in Europa. "Wir hoffen aufrichtig, dass Deutschland noch stärker wird und wir noch mehr deutsche Führungsstärke in den europäischen und transatlantischen Beziehungen erleben werden", schrieb Selenskyj auf Deutsch im sozialen Netzwerk X.
Die von Russland angegriffene Ukraine sei Deutschland und seiner Bevölkerung dankbar für die Unterstützung, schrieb Selenskyj in Kiew. Der ukrainische Präsident hatte am Montag zum Abschied mit dem scheidenden SPD-Kanzler Olaf Scholz telefoniert. Merz hat als Oppositionsführer die Ukraine zweimal während des Kriegs besucht.
Moskau: Deutschland schadet eigenen Interessen
Unterdessen sieht Moskau in den unerwarteten Schwierigkeiten bei der Kanzlerwahl ein grundsätzliches innenpolitisches Problem in Deutschland. "Man muss sich ehrlich fragen, wer Deutschland in wirtschaftlicher, politischer und humanitärer Hinsicht in seine jetzige Lage gebracht hat?", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Sie warf der politischen Führung in Berlin Klientelpolitik zum Schaden nationaler Interessen vor.