Der russische Präsident stimmt die Russen für einen langen Krieg ein.
Wenn Wladimir Putin Bürger in den Kreml einlädt, dann geht es dem russischen Präsidenten oft um mehr als nur den Dialog mit dem Volk. Es ist Inszenierung und Ideologiepflege zugleich – ein Versuch, Volksnähe zu demonstrieren und seine Machtbasis zu stärken. Beim jüngsten Treffen mit dem Aufsichtsrat der staatlich gegründeten Organisation „Russland – Land der Möglichkeiten“ blieb besonders ein Satz des Kreml-Chefs hängen – und sorgt nun international für Alarmstimmung.
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„Mobilisierung der Gesellschaft als Ganzes“
In einem anderthalbstündigen Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Organisation – einer Plattform für dutzende soziale und berufliche Projekte mit Millionen Teilnehmern – lobte Putin insbesondere den Blogger und Lehrer Gennadi Starunow. Dieser berichtet seit über zwei Jahren direkt von der Front des Ukraine-Kriegs und thematisiert in seinen Texten die Sorgen der Soldaten ebenso wie die ihrer Angehörigen in der Heimat. Sein Vorschlag: Veteranen nach ihrer Rückkehr gezielt in gesellschaftliche Projekte einbinden, um ihnen eine Perspektive zu bieten.
Putin reagierte nicht nur mit Anerkennung für den Einsatz des Bloggers, sondern nutzte die Bühne auch für eine politische Botschaft: „Unter den gegenwärtigen Umständen ist die wichtigste Aufgabe die interne Mobilisierung jedes Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes.“
Dieser Satz wurde später prominent von der staatlichen Nachrichtenagentur Tass verbreitet – und er schlug Wellen.
Putin schafft eine „militarisierte Gesellschaft“
Für das angesehene Institute for the Study of War (ISW) ist Putins Formulierung mehr als eine bloße Floskel. Die US-Analysten schreiben in ihrem aktuellen Lagebericht vom 27. Mai 2025: „Putin nutzt weiterhin orchestrierte öffentliche Auftritte, um die Bemühungen des Kreml voranzutreiben, eine militarisierte russische Gesellschaft zu schaffen, die vereint gegen den Westen steht.“
Es gehe nicht mehr nur um den Krieg in der Ukraine, sondern um eine tiefgreifende ideologische Mobilisierung für einen „langen Konflikt“ – möglicherweise auch mit der NATO. Putins Auftritte dienten demnach dazu, eine neue loyalistische Elite zu formen und gleichzeitig eine unabhängige, veteranenbasierte Zivilgesellschaft zu verhindern. So könnten Veteranen künftig als Kandidaten für die Duma-Wahl 2026 aufgebaut werden.
Feindbild Westen
Putin unterstrich in der Sitzung zudem, Russland werde von Ausländern als „Hochburg traditioneller spiritueller und moralischer Werte“ angesehen. Der „Geist der Hingabe der Sowjetbürger im Zweiten Weltkrieg“ diene weiterhin als Vorbild. Russland könne nur als souveräner Staat existieren – und diese Souveränität erfordere, so Putin, „Leidenschaft innerhalb der Gesellschaft“.
Diese Aussagen passen ins Bild: Putin schafft eine neue ideologische Grundlage, mit der er seine Macht zementieren und das Land weiter auf Krieg und Konfrontation einschwören will. Der Westen – insbesondere Europa und die USA – wird dabei bewusst als Bedrohung inszeniert.
Die internationalen Reaktionen auf Putins jüngste Aussagen sind zurückhaltend bis besorgt. Der Traum von einem schnellen Waffenstillstand in der Ukraine scheint mit solchen Worten in weite Ferne zu rücken. Und selbst wenn US-Präsident Donald Trump zuletzt in einem Telefonat mit Putin versucht haben soll, über Frieden zu sprechen – konkrete Fortschritte lassen sich daraus bislang nicht ableiten.