Folgt jetzt der Rücktritt?

Draghi verliert Regierungsmehrheit

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Der Vorhang fällt über der Regierung Draghi in Rom. Am Ende eines dramatischen Tages im Senat hat der italienische Premier Mario Draghi zwar eine Vertrauensabstimmung gewonnen, er verlor jedoch seine Regierungsmehrheit.  

Das Vertrauensvotum gewann Draghi mit 95 Ja-Stimmen und 38 Gegenstimmen. Die drei großen Koalitionsparteien Fünf Sterne, Lega und Forza Italia nahmen aber nicht an der Vertrauensabstimmung teil.

   Damit scheiterten Draghis Pläne, nach einer Regierungskrise vergangene Woche seine Koalition zusammenzuhalten, um bis zum Ende der Legislatur im Frühjahr 2023 im Sattel zu bleiben. Nach dem Votum wird Draghi voraussichtlich am Donnerstag Präsident Sergio Mattarella aufsuchen, um ihm seinen Rücktritt anzubieten. Mattarella könnte sich einige Tage Zeit nehmen, um über das weitere Prozedere zu entscheiden.

   Sollte Draghi definitiv zurücktreten, entfällt eine für Donnerstag geplante Abstimmung in der Abgeordnetenkammer, bei einem Verbleib des Premiers wird sie aber stattfinden.

   Italien dürfte aber jetzt auf Neuwahlen im Herbst zusteuern, ein Unikum in einem Land, in dem bisher stets im Frühjahr gewählt wurde. Als mögliche Wahltermine gelten der 25. September, oder der 2. Oktober.

   In seiner Rede vor dem Vertrauensvotum hatte der parteilose Ökonom Draghi die zerstrittenen Regierungsparteien aufgefordert, sich geschlossen hinter ihn und die Regierung zu stellen. Der Ministerpräsident hob in seiner Ansprache die Notwendigkeit hervor, die Koalition neu aufzustellen, die seine Regierung bisher unterstützte. "Sind die Parteien zum Neustart des Regierungspakts bereit? Das ist die Antwort, die Sie allen Italienern geben müssen", so Draghi.

   "Der einzige Weg - wenn wir noch zusammenbleiben wollen - ist, diesen Vertrauenspakt unter den politischen Kräften der Regierungsmehrheit wieder aufzubauen, mit Mut und Glaubwürdigkeit", forderte Draghi, der im Senat um das Vertrauen der Parlamentarier warb. Der Ministerpräsident erläuterte die bisher erreichten Ziele seiner Regierung, die seit Februar 2021 im Amt ist und geschaffen wurde, um das Land aus der Corona-Pandemie und der wirtschaftlichen Krise heraus zu führen. "Ich war noch nie so stolz, Italiener zu sein", sagte der Premier.

   Der Premier hob die Mobilisierung seitens Bürgermeistern, Wirtschaftsexperten und Bürgern für den Amtsverbleib der Regierung hervor. "Diese Mobilisierung ist beispiellos", meinte er. Italien sei stark, wenn es geschlossen auftrete. Den bisherigen Zusammenhalt der Mehrparteienkoalition, die ihn unterstützt habe, bezeichnete er als "Wunder", auf das er stolz sei. Draghi meinte, die Bedingungen für den Erhalt der bisherigen Koalition seien vorhanden, wenn die Parteien Einigkeit demonstrierten.

   Die Fünf Sterne-Bewegung warf Draghi vor, keine Antworten auf ihre Forderungen gegeben zu haben. Die linkspopulistische Partei hatte vom Regierungschef Zugeständnisse für ein Neun-Punkte-Programm gefordert, das unter anderem die Einführung eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns und weitere Finanzierungen für ein Grundeinkommen für Einkommensschwache vorsieht. "Aus Draghis Rede haben wir verstanden, dass es immer noch keine Antwort auf unsere Forderungen gibt", sagte Ettore Licheri, Fraktionschef der Fünf Sterne im Senat.

   Die Lega rief Draghi zum Aufbau einer neuen Regierungsmehrheit ohne die Fünf Sterne-Bewegung auf. Die Lega sei bereit, eine neue Regierung um Draghi zu unterstützen, sie wolle jedoch nicht mehr die Koalition mit der Fünf Sterne-Bewegung fortsetzen, berichtete der Fraktionschef der Lega im Senat, Massimiliano Romeo. Daher werde sie nicht für den Verbleib der aktuellen Koalition stimmen. "Es ist unmöglich, mit diesen Partnern die Interessen des Landes zu vertreten", sagte Romeo in Anspielung auf die Fünf Sterne-Bewegung, die vergangene Woche die Regierungskrise ausgelöst hatte. Draghi müsse einsehen, dass die Fünf Sterne-Bewegung, die sich vor einem Monat gespalten hat, nicht mehr die stärkste Einzelpartei des Landes sei.

   Der Beschluss der Forza Italia, Draghi nicht das Vertrauen auszusprechen, löste einen Erdbeben in der Berlusconi-Partei aus. Regionenministerin Maria Stella Gelmini, seit Jahren eine enge Vertraute Berlusconis, trat aus Protest aus der Gruppierung aus. Ihr folgten weitere zwei Forza Italia-Parlamentarier. Die mitregierenden Sozialdemokraten verurteilten die Wende in der Regierungskrise. "Wir haben alles Erdenkliche getan, um die Regierungsparteien aufzurufen, an die Italiener und nicht an die eigenen Interessen zu denken. Das ist uns nicht gelungen. Ab heute bereiten wir den Wahlkampf vor", verlautete aus der Demokratischen Partei (PD).

   In den letzten Wochen war der Zusammenhalt in der Koalition laut Draghi ins Wanken geraten. Der Beschluss der Fünf-Sterne-Bewegung, vergangene Woche nicht an einer Vertrauensabstimmung teilzunehmen, bedeute das Ende des Paktes, der die Koalition bisher zusammengehalten habe. Daraufhin hatte Draghi seinen Rücktritt angeboten, Staatschef Mattarella lehnte diesen jedoch ab und schickte ihn ins Parlament, um sich dort zu rechtfertigen.
 

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