Ein bisher unbekanntes Bakterium wurde an Bord der chinesischen Raumstation gefunden. Der Keim könnte für die Astronauten zum Problem werden.
Ein chinesisches Forschungsteam hat einen bislang unbekannten Bakterienstamm auf der Raumstation Tiangong identifiziert. Die neue Spezies wurde aus Oberflächenproben isoliert und trägt den Namen Niallia tiangongensis, benannt nach ihrem Fundort. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology veröffentlicht.
Der neu entdeckte Mikroorganismus gehört zur Gattung Niallia, deren Vertreter wie Niallia circulans auf der Erde vor allem als Sporenbildner im Boden vorkommen. Ob sich Niallia tiangongensis erst unter den besonderen Bedingungen der Raumstation entwickelt hat oder bereits mit speziellen Eigenschaften auf die Station gelangte, ist derzeit unklar.
Anpassungsstrategien für das Überleben im All
Laut der Studie besitzt Niallia tiangongensis die außergewöhnliche Fähigkeit, Gelatine als einzige Quelle für Stickstoff und Kohlenstoff zu verwerten. Diese Eigenschaft ist unter den extremen Bedingungen im Weltraum – insbesondere bei Nährstoffmangel – von entscheidendem Vorteil. Zusätzlich wurden bei dem Bakterium genetische und strukturelle Merkmale identifiziert, die auf eine erhöhte Toleranz gegenüber oxidativem Stress, eine verstärkte Fähigkeit zur Reparatur von Strahlenschäden sowie zur Bildung von Biofilmen hindeuten.
Biofilme können sowohl schützende als auch schädliche Auswirkungen haben. Einerseits erleichtern sie Mikroorganismen das Überleben in extremen Umgebungen, andererseits bergen sie Risiken für Technik und Gesundheit – insbesondere in geschlossenen Systemen wie Raumstationen. Eine Untersuchung der NASA hatte bereits in früheren Jahren gezeigt, dass sich auf der ISS ebenfalls Biofilme bilden, die sensible technische Geräte beeinträchtigen können.
Wie gefährlich ist das Bakterium?
Ob Niallia tiangongensis eine Bedrohung für die Besatzung der Tiangong-Station darstellt, ist bisher nicht abschließend geklärt. Die Erforschung mikrobieller Lebensformen im Orbit ist von zentraler Bedeutung für die Sicherheit von Langzeitmissionen. Bereits auf der mittlerweile außer Dienst gestellten russischen Raumstation Mir hatten sich mikrobiologische Ansammlungen gebildet, die elektrische Systeme und Oberflächen beschädigten. Einige dieser Biofilme verströmten sogar unangenehme Gerüche und waren schwer zu entfernen.
Gleichzeitig weisen Forschende darauf hin, dass eine reduzierte mikrobielle Vielfalt ebenfalls problematisch sein kann. Eine Studie unter der Leitung von Dr. Kasthuri Venkateswaran vom Jet Propulsion Laboratory der NASA stellte im Februar 2025 fest, dass die mikrobielle Diversität auf der Internationalen Raumstation (ISS) signifikant niedriger ist als auf der Erde. Dies kann zu einem Ungleichgewicht im menschlichen Mikrobiom führen und das Immunsystem von Astronautinnen und Astronauten schwächen, was wiederum entzündliche Prozesse begünstigen könnte.
Bedeutung für zukünftige Raumfahrtmissionen
Die Entdeckung von Niallia tiangongensis unterstreicht die Notwendigkeit, das Mikrobiom von Raumstationen systematisch zu überwachen und besser zu verstehen. Mit zunehmender Dauer bemannter Raumflüge und geplanten Langzeitmissionen zum Mond oder Mars rücken mikrobiologische Faktoren stärker in den Fokus der Raumfahrtmedizin und -technik.
Forschungsteams weltweit arbeiten daran, Strategien zu entwickeln, um schädliche Mikroorganismen zu kontrollieren und gleichzeitig eine gesunde mikrobielle Umgebung für die Besatzung zu erhalten. Die Erkenntnisse aus der Tiangong-Mission könnten dabei wichtige Impulse liefern.