"Volkspapst" mit vielen Feinden

Franziskus: Der Retter der Kirche

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Der Liebling der Massen hat Sonntag seinen größten Auftritt des Jahres auf dem Petersplatz.

Alle wollen den „Volkspapst“ sehen. Wenn Papst Franziskus am Sonntag den Segen „urbi et orbi“ („der Stadt und dem ganzen Erdkreis“) am Petersplatz erteilt, drängen sich 400.000 Menschen dicht aneinander. Vor den TV-Bildschirmen weltweit sehen Millionen gebannt zu. Für sie gilt das Gleiche wie für die Menschen vor Ort in Rom: Wer an der Ostermesse teilnimmt, dem werden seine Sünden vergeben. Das gilt auch für die Zuschauer im Internet.

Vatikan-Clinch

Doch während ihm die Massen zujubeln, ist Franziskus im Vatikan eher unbeliebt.

  • Verscherzt. Er hat es sich mit den „grauen Eminenzen“ von Beginn an verscherzt, als er es ablehnte, im Apostolischen Palast zu residieren – er nahm lieber ein Zimmer nebenan (siehe Interview mit dem Papst-Experten Andreas Englisch unten). Seither liegt er mit dem katholischen Verwaltungsapparat im Clinch.

Franziskus: 5 Jahre im Amt – und kein bisschen leise

  • Revoluzzer. Und auch sonst legt sich der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, wie Franziskus bürgerlich heißt, gerne mit den überkommenen Lehrmeinungen der katholischen Kirche an: Ob Homosexuelle („Sollten uns entschuldigen“), Kommunion für Wiederverheiratete oder Priesterweihe für Verheiratete: Franziskus will verändern und eckt an.

  • Kritik. Wie viel er tatsächlich bewegt, ist für seine Kritiker fraglich. Sie sehen in ihm mehr den Revoluzzer als den Reformer.

  • Ehre. Franziskus selbst hat damit kein Problem. Erst am Donnerstag war er in einem Zeitungsinterview als „revolutionär“ bezeichnet worden. Der Papst bedankte sich: „Es ist eine Ehre für mich, so bezeichnet zu werden.“

  • Hoffnungsträger. Für viele ist „Revolutionär“ Franziskus ein Hoffnungsträger der Kirche. Wenn nicht gar ein Retter. Mehr Menschen wenden sich der Kirche zu – in Wien gab es zu Ostern sogar einen regelrechten „Beichtboom“, so Dompfarrer Toni Faber (siehe unten).

Franziskus-Biograf: "Papst ist ein Revolutionär"

Der Vatikan-Kenner Andreas Englisch lebt seit über 30 Jahren in Rom. 
 ÖSTERREICH: Was macht die Strahlkraft von Papst Franziskus aus?

Andreas Englisch: Der Papst ist ein Revolutionär! Kein Mensch hielt es für möglich, dass man den Vatikan aufbrechen kann – er hat es geschafft.

ÖSTERREICH: Wie hat er das hinbekommen?

Englisch: Die Vatikanbank war ein Riesenproblem. Über Generationen und Generationen ging das so. Papst Johannes Paul II. war zu sehr mit den Russen beschäftigt, um das anzugehen. Benedikt war zu schüchtern. Franziskus war es egal, wem er damit auf die Füße steigt – er hat die Bank einfach dichtgemacht.

ÖSTERREICH: Auch beim Verwaltungsapparat der Kirche im Vatikan ist er nicht besonders beliebt …

Englisch: Das war von Beginn weg keine Liebesbeziehung. Als Franziskus es ablehnte, in den Apostolischen Palast zu ziehen, und ein kleines Zimmer ohne Bedienstete nahm, war das ein ganz deutliches Zeichen an die Kurie. Das ist wie in einem Unternehmen: Wenn der Chef auf dem Beifahrersitz eines 
Fiat 500 Platz nimmt, tun sich die Manager im Unternehmen schwer, sich in großen Limousinen herumfahren zu lassen. Damit hatte er alle gegen sich.

ÖSTERREICH: Sie kennen den Papst persönlich. Wie ist der Mensch Franziskus?

Englisch: Ein Erlebnis mit ihm beschreibt das besser als tausend Worte: Wir waren als Journalisten zur Frühmesse eingeladen. Als Geschenk für den Papst hatten wir eine selbst gemachte Tortilla mitgebracht auf einem Porzellanteller – wir wussten, er isst das gerne. Plötzlich lief die Polizei hinter uns her. Wir dachten, die rufen uns, weil der Papst das aus Sicherheitsgründen nicht annehmen kann. Wir haben uns entschuldigt und gesagt, Eure Heiligkeit, es tut uns leid, dass wir nicht mitgedacht haben. Darauf meinte er: „Wovon sprechen Sie, die Tortilla war großartig! Ich wollte nur fragen, wem ich den Porzellanteller zurückgeben kann.“

Kirchen-Comeback: Beicht-Boom und weniger Austritte

Seit Beginn des Pontifikats von Franziskus treten wieder weniger Menschen aus Kirche aus.

Immer mehr Menschen wollen ihre Sünden loswerden und gehen – gerade zu Ostern – zur Beichte. Toni Faber, Pfarrer im Stephansdom, sprach im ORF-Radio sogar von einem „Beichtboom“. Die Besucher geben sich die Klinke in die Hand. „Vor Ostern ist die Schlange wirklich lang“, so der Dompfarrer. Ungeduldige würden sogar an die Türe klopfen, wenn Sünder vor ihnen lange beichten.

Die Kirche verzeichnet insgesamt einen Aufwärtstrend. Drei Millionen wollten zu den Osterfeiertagen in die Kirche gehen.

Weniger Austritte

Die Zahl der Kirchenaustritte geht weiter zurück: 53.510 Personen verließen 2017 die Kirche, 2,7 Prozent weniger als 2016. Mit 5.364 Neueintritten ging die Zahl der neu zur Kirche Kommenden erneut nach oben. Der Zuwachs ist mit 1,8 Prozent allerdings etwas kleiner als im Jahr davor, als um 4 Prozent mehr Menschen in die Kirche eintraten. Seit 2012 (4.477) nimmt die absolute Zahl der Eintritte konstant zu.

Beliebter Papst

Eine große Rolle spielt dabei Papst Franziskus. Laut weltweiter Gallup-Umfrage sehen hierzulande 75 Prozent den Papst positiv. So beliebt ist Franziskus nur in zwölf weiteren der 64 befragten Länder.

Er ist auch der am häufigsten genannte Grund für Wiedereintritte in die Kirche. Die Kirche bekommt durch ihn eine modernere und menschenfreundlichere Ausstrahlung.

Kurz: "Ein lebensfreudiger und begeisterter Mensch"

Der ÖVP-Chef hatte erst vor Kurzem eine Privataudienz bei Papst Franziskus.

Zwei Mal traf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits auf Papst Franziskus – erst Anfang März reiste er für eine Privataudienz in den Vatikan. Für den Politiker eine Ehre: „Es ist jedes Mal beeindruckend, wenn man mit dem Papst reden kann“, verrät er im ÖSTERREICH-Interview. Schon bald könnte es zu einem dritten Treffen kommen: Denn Kurz hat den Papst zum 200-Jahre-Jubiläum von Stille Nacht heuer noch nach Salzburg eingeladen.

ÖSTERREICH: Sie haben Papst Franziskus bereits mehrmals getroffen, zuletzt hatten Sie eine Privataudienz. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?

Sebastian Kurz: Es ist jedes Mal beeindruckend, im Vatikan sein zu dürfen, und ganz besonders, wenn man mit dem Papst reden kann. Ich habe den Heiligen Vater als einen sehr lebensfreudigen und begeisterten Menschen und Gesprächspartner erlebt.

ÖSTERREICH: Sie haben ja auch über Politik und Religion mit Franziskus geredet. Was trennt, was eint Sie mit ihm?

Kurz: Er vertritt natürlich eine sehr weltkirchliche Sicht. Er kommt aus der Arbeit mit den Ärmsten der Armen in Südamerika. Da hat man natürlich einen anderen Blick auf die Gesellschaft, als wenn man in Europa aufgewachsen ist. Aber diese Arbeit mit den Ärmsten und den Menschen am Rande der Gesellschaft ist eine ganz wichtige kirchliche Aufgabe, die wir natürlich auch unterstützen.

ÖSTERREICH: Wie religiös sind Sie?

Kurz: Ich glaube an Gott und bin durchaus ein re­ligiöser Mensch, aber Religion ist für mich Privat­sache, also nicht etwas, was ich öffentlich vor mir hertrage.

ÖSTERREICH: Wie feiern Sie Ostern?

Kurz: Ich feiere Ostern am Sonntag im Kreis meiner Familie, danach geht es wieder voll Tatendrang an die Arbeit.

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