Als erstes EU-Land

Freedom House: Ungarn keine Demokratie mehr

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Erstmals Einstufung in "Nations in Transit"-Bericht als "hybrides Regime"

Die US-Bürgerrechtsorganisation Freedom House sieht Ungarn nun nicht mehr als Demokratie, sondern als "hybrides Regime" an. Das geht aus dem Bericht "Nations in Transit 2020" zu Osteuropa und Zentralasien hervor. In der gleichen Studie wird Polen erstmals nicht mehr als "gefestigte Demokratie" (consolidated democracy) eingestuft.
Im Vorjahr hatte Freedom House Ungarn auf einer fünfstufigen Skala noch als "halb-gefestigte Demokratie" (semi-consolidated democracy; Stufe 2) bewertet. Die Bewertung des Landes war seit 2010, als die rechtsnationale Fidesz-Partei von Viktor Orban die parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit erlangte, steil gesunken. Seinen Status als "gefestigte Demokratie" (Stufe 1) hatte das Land bereits im Jahr 2015 verloren. Nun liegt Ungarn in der Punktezahl gleichauf mit Serbien, das bereits in Vorjahr zum "hybriden Regime" (Stufe 3) herabgestuft worden war.
 

Als erstes EU-Land

Zur Kategorie "hybrides Regime" gehören in der Liste von Freedom House von den ex-kommunistischen Ländern Osteuropas und der früheren Sowjetunion nur die Nicht-EU-Länder der Balkanregion sowie die ex-sowjetischen Staaten Moldau, Georgien und die Ukraine. Damit ist Ungarn das erste EU-Land, das bei Freedom House eine derart schlechte Kategorisierung seines demokratischen Systems erhält.
 
Besonders niedrige Punktezahlen erhielt Ungarn in den Unterkategorien "Demokratische Regierung", "Unabhängige Medien" und "Korruption". Relativ gut bewertet wurden hingegen die Bereiche "Zivilgesellschaft", "Lokale Regierung" und "Rechtsrahmen und Unabhängigkeit der Justiz". In allen Unterkategorien waren Ungarns Punktezahlen in den vergangenen Jahren allerdings deutlich gesunken.

 

Kritik auch an Polen

Bei Polen waren die Freedom-House-Bewertungen bereits seit Einführung der umstrittenen Justizreformen durch die rechtsnationale PiS-Regierung 2017 stark gesunken, insbesondere in den Kategorien "Demokratische Regierung" und "Unabhängigkeit der Justiz". Nun hat das Land erstmals die Punktezahl der "gefestigten Demokratien" unterschritten.
 
Die Organisation rief insbesondere die USA und die Europäische Union dazu auf, die demokratische Entwicklung der betreffenden Länder stärker bei den internationalen Beziehungen zu berücksichtigen. So forderte Freedom House, die EU-Mitgliedsstaaten sollten einen Mechanismus einführen, der die Verteilung der EU-Finanzmittel von der Rechtsstaatlichkeit abhängig macht. Ebenso sollte bei den Beziehungen zwischen der EU und den Balkanländern die langfristige demokratische Entwicklung Priorität vor "kurzfristigen politischen und wirtschaftlichen Überlegungen" haben. Zugleich warnte die US-Organisation vor dem "schädlichen Einfluss Chinas" auf die Region.
 
Freedom House legt den Bericht "Nations in Transit", der von der US-Entwicklungszusammenarbeitsbehörde USAID unterstützt wird, jährlich seit 1995 vor. Die Organisation teilt das demokratische System von Staaten in fünf Kategorien ein. Die beiden untersten Stufen bilden das "halb-gefestigte autoritäre Regime" (Stufe 4; derzeit nur Armenien) sowie das "gefestigte autoritäre Regime" (Stufe 5; etwa Russland, Weißrussland (Belarus) oder die ex-sowjetischen Staaten Zentralasiens).
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