Naher Osten

Gaza: Erstmals offiziell Hungersnot erklärt

In einem nördlichen Bereich des Gazastreifens ist eine Hungersnot erklärt worden. Die Kriterien dafür seien erfüllt, teilte die zuständige IPC-Initiative mit. Das Leben Zehntausender Kinder ist akut bedroht. 

Das Leben von 132.000 Kindern unter fünf Jahren in dem Regierungsbezirk Gaza, in dem auch die Stadt Gaza liegt, sei wegen Unterernährung bedroht, teilte die IPC-Initiative mit. 41.000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet, doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es das erste Mal, dass in einem Land des Nahen Ostens eine Hungersnot ausgerufen wird.

"Ein sofortiger Waffenstillstand und die Beendigung des Konflikts sind von entscheidender Bedeutung, um eine ungehinderte, großangelegte humanitäre Hilfe zur Rettung von Menschenleben zu ermöglichen", teilte IPC (Integrated Food Security Phase Classification) mit. Das israelische Außenministerium teilte nach der IPC-Veröffentlichung dagegen mit: "Es gibt keine Hungersnot in Gaza." Seit Kriegsbeginn seien mehr als 100.000 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangt, teilt das Außenministerium mit.

UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk macht die israelische Regierung für die Hungersnot im nördlichen Gazastreifen verantwortlich. Dies sei das "direkte Ergebnis der von der israelischen Regierung ergriffenen Maßnahmen", erklärte Türk. Der Einsatz von Hunger als Waffe sei ein Kriegsverbrechen. Die israelische Militärbehörde Cogat warf den Vereinten Nationen im Gegenzug vor, unbewiesene Behauptungen zu verbreiten. Cogat verwies auf die Hamas, der sie eine Lügenkampagne über Hungersnot vorwirft.

Strikte Kriterien für Erklärung von Hungersnot

Ehe eine Hungersnot erklärt wird, müssen drei Kriterien erfüllt sein: Mindestens 20 Prozent der Haushalte sind von einem extremen Lebensmittelmangel betroffen, mindestens 30 Prozent der Kinder leiden unter akuter Mangelernährung und täglich sterben mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Einwohner an Hunger oder aufgrund des Zusammenspiels von Unterernährung und Krankheit. Alle drei treffen zu, wie Jean-Martin Bauer vom Welternährungsprogramm (WFP) in einem Briefing für Journalisten in Genf sagte.

Die IPC-Initiative wurde 2004 gegründet. Mitglieder sind knapp zwei Dutzend Organisationen der Vereinten Nationen, sowie Hilfsorganisationen. Sie ist für die Einschätzung von Hungerlagen in aller Welt zuständig. In der IPC-Skala gibt es fünf Stufen der Ernährungslage in einem Land oder einer Region. Die allerhöchste - und schlimmste - ist Stufe fünf: "Katastrophe/Hungersnot". Darunter spricht man von Hungerkrisen. Bisher galt für den gesamten Gazastreifen die Stufe vier ("Emergency/Notfall").

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