Ein Kompromiss ist nicht in Sicht - Washington ruft Militärs zu Unterstützung der Opposition auf.
Ein Meer gelb-blau-roter Fahnen, Hunderttausende auf den Beinen, flammende Reden, Jubel und Applaus. Die Großkundgebungen von Regierung und Opposition im südamerikanischen Krisenstaat Venezuela sahen sich am Samstag streckenweise ziemlich ähnlich.
Auch in ihrer Kompromisslosigkeit ähnelten sich die Hauptredner, der selbsterannte Interimspräsident Juan Guaidó und der umstrittene Staatschef Nicolás Maduro. Ein Kompromiss oder eine Vermittlung waren weiter nicht in Sicht. Maduro bot erneut eine Neuwahl an - aber nur eine des Parlaments, keine des Präsidenten, wie es Guaidó fordert.
Der Oppositionsführer machte seinen Anhängern Hoffnung, der Machtwechsel stehe "unmittelbar" bevor. "Wir schwören: Wir bleiben auf den Straßen, bis es Freiheit, eine Übergangsregierung und Neuwahlen gibt", sagte Guaidó in der Hauptstadt Caracas unter dem Jubel der Menge, die seine Worte im Chor wiederholte.
Maduro zeigt sich unbeeindruckt
Maduro aber zeigte sich bei einer offiziellen Kundgebung mit ebenfalls etwa hunderttausend Teilnehmern unbeeindruckt und warnte seinen Herausforderer: "Ich bin der wahre Präsident Venezuelas. Und wir werden weiter regieren."
Der unter starkem internationalem Druck stehende venezolanische Präsident kündige vor seinen Anhängern vorgezogene Wahlen an. Die nächsten Parlamentswahlen sollten noch 2019 abgehalten werden, sagte Maduro. Ursprünglich waren die Wahlen für 2020 angesetzt.
Der venezolanische Staatschef hatte das von Opposition dominierte Parlament 2017 entmachtet und stattdessen eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen, in der die Anhänger Maduros den Ton angeben. In Mai 2018 gewann Maduro eine umstrittene Präsidentenwahl, die von der Opposition weitgehend boykottiert wurde.
Militärführung hinter Maduro
Die Militärführung und der Sicherheitsapparat stehen zu Maduro - auch wenn ein General am Wochenende überlief. Das Weiße Haus forderte am Samstag das venezolanische Militär auf, sich auf die Seite Guaidós zu stellen.
Maduro sprach vor seinen Anhängern aus Anlass des 20. Jahrestages des Amtsantritts seines Mentors Hugo Chávez. Es war Maduros erster Auftritt in der Öffentlichkeit seit einem angeblichen Anschlagsversuch gegen ihn mit zwei mit Sprengstoff beladenen Drohnen Anfang August
Der Oberstleutnant Chávez, Anführer eines gescheiterten Putschversuches 1992, hatte Ende 1998 die Präsidentenwahl gewonnen. Als Staatschef machte er sich mit kubanischer Unterstützung daran, das erdölreiche Land im Sinne eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" umzubauen. Chávez starb 2013 an Krebs, Maduro wurde in umstrittenen Wahlen zu seinem Nachfolger gewählt. Venezuela ist wie andere südamerikanische Länder von Korruption und krassen Unterschieden zwischen Arm und Reich gekennzeichnet.
Seit die Ölpreise weltweit fielen, ging es mit der Wirtschaft steil bergab. Heute sind Lebensmittel und Medikamente knapp, etwa drei Millionen Menschen flohen ins Ausland. Guaidó kündigte für den 24. Februar erste humanitäre Hilfslieferungen aus dem Ausland an. Wie sie gegen den Willen der Regierung Maduro ins Land kommen sollen, war unklar.
Kundgebung und Gegendemo nahe beieinander
Die Kundgebungen für und gegen Maduro lagen mehrere Kilometer voneinander entfernt, über gewaltsame Ausschreitungen wurde zunächst nichts bekannt. Bei den jüngsten Massenprotesten waren nach Medienberichten mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen und rund 850 festgenommen worden.
Die sonst schnell gegen regierungskritische Demonstrationen einschreitenden Sicherheitskräfte hielten sich auffällig zurück. Im Bundesstaat Lara zog sich die Polizei sogar auf Bitten der Guaidó-Anhänger zurück, wie die Zeitung "El Nacional" berichtet. Ob Maduro die Oppositionskundgebungen nicht verhindern konnte oder wollte, blieb unklar.