FDP-Chef: "Besser, nicht zu regieren, als falsch".
Die Verhandlungen von CDU, CSU, FDP und Grünen über ein Jamaika-Bündnis in Deutschland sind nach FDP-Darstellung gescheitert. FDP-Fraktionssprecher Nils Droste teilte am Sonntagabend in Berlin mit, die Liberalen zögen sich aus den Gesprächen zurück.
FDP-Chef Christian Lindner hat den Abbruch der Jamaika-Sondierungen nach gut vier Wochen mit fehlendem Vertrauen begründet. Es sei den vier Gesprächspartnern nicht gelungen, eine Vertrauensbasis oder eine gemeinsame Idee für die Modernisierung des Landes zu finden, sagte Lindner am späten Sonntagabend in Berlin. "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren", sagte er.
Am Sonntagabend kamen die Verhandlungsführer von CDU, CSU, Grünen und FDP in Berlin erneut zu Beratungen zusammen. Bereits seit dem Morgen versuchten sie in einer Reihe von strittigen Punkten eine Einigung zu finden. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte zu den Chancen für eine Einigung am Abend, es sei "alles offen". CDU-Vize Volker Bouffier erklärte, er sei "zuversichtlich", aber es sei "schwierig". Er könne sich vorstellen, dass es ein langer Abend werde.
"Wir halten auf 17.59 Uhr die Uhren an und führen weitere Gespräche", sagte Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner. Spekulieren, wie lange es noch dauern werde, wolle er nicht. Er fügt aber hinzu: "Es kommt jetzt nicht auf eine Stunde an."
Beim Thema Migration beharrte die bayrische CSU weiter auf ihrer bisherigen Haltung und lehnte Zugeständnisse beim Familiennachzug für Flüchtlinge ab. Auch die FDP sei dabei "mit an Bord", betonte Scheuer. "Drei Parteien wollen die Begrenzung der Zuwanderung und eine Partei will dies nicht", sagte er mit Blick auf die Grünen.
Deren Bundesgeschäftsführer Kellner begründete die Forderung der Grünen nach dem Anrecht auf Familiennachzug auch für Flüchtlinge mit dem eingeschränkten subsidiären Schutz erneut mit dem Gebot der Menschlichkeit: "Es geht uns um Humanität." Die Grünen hatten zur Flüchtlingspolitik am Samstagabend noch einmal ein Kompromissangebot vorgelegt, dass die Forderung der CSU nach einer Begrenzung der Zuwanderung aufgriff. "Wir sind in schwierigen Gesprächen und werden sehen, wie das weitergeht", sagte am Abend nun Kellner.
Scheuer wies unterdessen darauf hin, dass es durchaus gelungen sei, sich in einer Reihe von Punkten weiter anzunähern, etwa bei Wirtschaft und Digitales.
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner mahnte die Jamaika-Unterhändler zur Einigung. "Man muss sich immer die Alternative dazu anschauen. Und am Ende sage ich: Man muss sich zusammenreißen und was hinbekommen", erklärte Klöckner. "Irgendwann muss (es) mal gut sein, denke ich auch. Und auf der anderen Seite muss sich jeder selbst überlegen, ob er das große Ganze wegen kleinerer Feinheiten platzen lassen will", sagte die CDU-Politikerin. "Grundsätzlich bin ich optimistisch, aber es gab durchaus schon leichtere Sondierungsverhandlungen."
Schon zu Mittag hatte es geheißen, es herrsche dicke Luft. Beklagt wurden fehlendes Vertrauen, Durchstechereien, persönliche Angriffe und Unwahrheiten in der Öffentlichkeit. Aus FDP-Verhandlungskreisen hieß es, es habe sich zu wenig bewegt, etwa mit Blick auf ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem, beim Thema Entlastungen und Soli sowie bei der Forderung nach Abschaffung des Kooperationsverbots in der Bildungspolitik. Als Möglichkeit im Raum stand neben einem Scheitern auch, die Beratungen zu unterbrechen und beispielsweise in zwei Wochen fortzusetzen.
Der Sonntag war als Tag der Entscheidung angekündigt worden. CSU-Chef Horst Seehofer sagte zu Beginn der Beratungen: "Wir müssen heute entscheiden." Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, schon aus "Patriotismus" müssten die vier Parteien eine Einigung zustande bringen.