Ex-Militärchef der bosnischen Serben wurde 2017 in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt.
Sarajevo/Den Haag. Fast 26 Jahre nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina hat der Nachfolge-Mechanismus des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (IRMCT) am Dienstag die 2017 in erster Instanz verkündete lebenslange Haft für den einstigen Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic (78), bestätigt, wie der TV-Sender N1 berichtete. Das Urteil ist somit rechtskräftig. EU und USA begrüßten das Urteil, in Bosnien fielen die Reaktionen gemischt aus.
Mladic wurde des Völkermordes in der früheren ostbosnischen muslimischen Enklave, damals UNO-Schutzzone Srebrenica, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Verletzung der Gepflogenheiten der Kriegführung für schuldig befunden.
Rund 8.000 Menschen brutal ermordet
Serbische Truppen unter dem Befehl von Mladic hatten im Juli 1995 die UNO-Schutzzone überrannt, rund 8.000 muslimische Männer und Buben wurden daraufhin brutal ermordet. Ihre Leichen wurden nach dem Kriegsende in zahlreichen Massengräbern gefunden, nach vielen Vermissten wird weiterhin gesucht. Der frühere Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadzic, wurde auf Basis derselben Anklage bereits 2019 rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die Liste der Verbrechen, die Mladic angelastet werden, ist lang. Dazu zählen sowohl die gut dreijährige Belagerung und der Granatenbeschuss von Sarajevo mit über 10.000 Opfern, darunter 1.600 Kindern, Vertreibungen von nicht-serbischer Bevölkerung, Morde, aber auch die Geiselnahme von UNO-Soldaten.
Im Berufungsverfahren setzte sich die Verteidigung des früheren bosnisch-serbischen Militärchef im Vorjahr für den Freispruch oder eine Wiederholung des Prozesses ein. Die Anklage forderte hingegen, Mladic nicht nur des Völkermordes in Srebrenica, sondern auch in weiteren sechs bosnischen Gemeinden für schuldig zu erklären.
Familienangehörige verfolgten TV-Übertragung
Familienangehörige der Opfer von Srebrenica verfolgten die TV-Übertragung der Urteilsverkündung in Den Haag am Dienstag auf der Gedenkstätte in Potocari. Die Familienangehörigen von 114 Muslimen und Kroaten, die im Juli 1992 von bosnisch-serbischen Truppen auf dem Gebiet von Mostar ermordet wurden, bedauern indes, dass Mladic für diese Verbrechen gar nie angeklagt wurde.
Von vielen bosnischen Serben wird Mladic nichtsdestotrotz als Held verehrt. Auf einer Brücke in Banja Luka ist am Dienstag ein Spruchband mit der Aufschrift aufgetaucht: "Von uns werden die Haager Beschlüsse nicht anerkannt, Du (Mladic, Anm.) bist der Stolz der Republika Srpka".
Chefankläger Serge Brammertz begrüßte am Dienstag das Urteil und mahnte in Richtung der Mladic-Anhänger: "Es ist Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren." Mladic sei einer der "berüchtigtsten Kriegsverbrecher der modernen Geschichte". US-Präsident Joe Biden sprach von einem "historischen Urteil". "Es stärkt auch unsere gemeinsame Entschlossenheit, künftige Gräueltaten überall auf der Welt zu verhindern." EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem wichtigen Schritt für Gerechtigkeit für die Opfer.
Gemischte Reaktionen
Gemischt fielen die Reaktionen in Bosnien-Herzegowina aus. Angehörige der Opfer und nicht-serbische Politiker begrüßten das Urteil. Der führende bosnische Serben-Politiker Milorad Dodik behauptete dagegen, es habe "nichts mit Recht und Gerechtigkeit" zu tun.
Im Rathaus von Sarajevo wurde die Urteilsverkündung für die Öffentlichkeit live übertragen. Als das Urteil gesprochen wurde, applaudierte das Publikum, wie das Nachrichtenportal "ba.n1info.com" berichtete. Im Gedenkzentrum von Potocari bei Srebrenica fand ebenfalls eine öffentliche Übertragung des Urteils statt.
Der Vorsitzende der bosniakischen Regierungspartei SDA, Bakir Izetbegovic, sagte in Sarajevo: "Dieses Urteil möge dem serbischen Volk dabei helfen, sich von der Last zu befreien, die ihm von denen auferlegt wird, die in seinem Namen Kriegsverbrecher ehren, feiern und ihre Verbrechen leugnen."
Der bosnisch-serbische Spitzenpolitiker Dodik bezeichnete den vom Haager Tribunal festgestellten Völkermord in Srebrencia als "Mythos", der "nicht stattgefunden" habe. Mladic seien die ihm zur Last gelegten Verbrechen "nicht nachgewiesen" worden. Ohne seine Führung und seinen Geist hätte das serbische Volk noch mehr gelitten. Dodik ist der alles bestimmende Politiker im serbischen Landesteils Bosniens und serbisches Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums.