Konten beschlagnahmen?

Jagd auf Gaddafis Millionen

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So sollen die dreckigen Geschäfte zwischen Österreich und Libyen gelaufen sein.

Es sind Fragen, die wohl einige Verantwortliche nächste Woche ordentlich ins Schwitzen bringen könnten. Der grüne Aufdecker Peter Pilz will ab kommender Woche gleich in mehreren Ausschüssen die Beziehungen zwischen Libyen und Österreich genau unter die Lupe nehmen.

Laut Pilz geht die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Libyen noch weiter als bisher bekannt. Die Vorwürfe im Detail:

  • Die Gaddafis sollen in Österreich „Unsummen“ ihres Vermögens bei mehreren heimischen Banken geparkt haben.
     
  • Teile des Kriegsmaterials, mit dem Gaddafi gegen sein Volk vorgeht, sollen von österreichischen Firmen angeliefert worden sein.
     
  • Außerdem sei es in den vergangenen Jahren immer wieder zur Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen Innenministerium und der als besonders brutal verschrienen libyschen Polizei gekommen.

Pilz kündigt an: „Im nächsten Innenausschuss, im außenpolitischen Ausschuss und im Finanzausschuss wird es einen Tagesordnungspunkt „Gaddafi“ geben. Ich möchte wissen: Wie viel Geld hat Gaddafi in Österreich? Wie hat die Zusammenarbeit ausgesehen? Welche Firmen haben Kriegsmaterial geschickt?“

Gaddafis Ehefrau war noch letzte Woche in Wien
Österreich und die Gaddafis – das war immer eine ganz besondere Beziehung. Gaddafis Sohn Saif besitzt eine Villa in Döbling – und will angeblich im Fall eines Sturzes nach Wien ziehen.

Das Innenministerium bestätigte gestern ausdrücklich die ÖSTERREICH-Enthüllung vom Donnerstag, dass Gaddafis Ehefrau Safiya letzte Woche (!) zu einem Privatbesuch mit Arzt-Visite und ausgiebiger Shopping-Tour in Wien war.

Das gestrige – in KURIER und Internet wiedergegebene – Gerücht, dass Gaddafis Ehefrau und Tochter auch an diesem Wochenende im Wiener Hotel Imperial logieren, wurde vom Innenministerium dementiert. Trotzdem demonstrierten Exil-Libyer vor dem Nobel-Hotel am Ring.

Österreich stimmt Libyen- Sanktionen mit EU ab
Mehrere Staaten haben sich inzwischen entschlossen, die Konten Gaddafis einzufrieren, darunter die Schweiz und die USA. In Österreich gibt es trotz der aktuellen Besuche des Gaddafi-Clans bis heute keinen derartigen Beschluss. „Diese Maßnahme wird in enger Abstimmung mit der EU koordiniert“, sagt Kanzler Faymann. Und das kann dauern. Denn die EU fürchtet, dass Sanktionen gegen Gaddafi den EU-Bürgern, die sich noch in Libyen aufhalten, massiv schaden könnten.

Debora Knob

Seite 2: Kanzler Faymann zur Libyen-Krise im ÖSTERREICH-Interview

Faymann: "Wir werden Druck stärken"

ÖSTERREICH: Was kann Österreich beitragen, damit das Morden in Libyen aufhört?
Werner Faymann: Auf politischer Ebene beobachten wir die Lage genau. Deswegen beraten wir mit den Partnern in der EU, wie wir den Druck verstärken können, damit die Gewalt gegen die Bevölkerung ein Ende hat. Das ist nicht zu akzeptieren.

ÖSTERREICH: Sind Sie dafür, Gaddafi-Konten auf heimischen Banken zu sperren, sofern vorhanden?
Faymann: Diese Maßnahme wird in enger Abstimmung mit der EU geprüft und koordiniert. Dies gilt auch für Immobilien.

ÖSTERREICH: Sind Sie für ein Einreiseverbot der Gaddafis in Österreich?
Faymann: Auch hier bin ich für eine gemeinsame Haltung der EU. Gegen alle jene, die das Völkerrecht und die Menschenrechte so massiv verletzt haben, sollte vor den internationalen Gerichten Anklage erhoben werden.

ÖSTERREICH: Befürworten Sie Sanktionen der EU gegen Libyen?
Faymann: Diese werden auch gerade auf europäischer Ebene beraten. Denkbar sind das Einfrieren von Konten, ein Waffenembargo und das Einschalten des Internationalen Gerichtshofs.

ÖSTERREICH: Wie sehen Sie die Zukunft Libyens?
Faymann: Der gesamte Raum ist im Umbruch. Viele beschreiben den Feber 2011 für diese Region als genauso wichtig wie 1989 für Europa. In Europa sind viele neue Demokratien entstanden. Das hoffe und erwarte ich auch für diese Länder. Wir werden die Länder dabei unterstützen.

Seite 3: Diktator verschanzt sich in Hauptstadt

Diktator verschanzt sich in der Hauptstadt

Libyens Diktator Gaddafi gerät immer mehr unter Druck: In zwei Dritteln des Landes hat er die Macht verloren, das Militär wendet sich ab – jetzt engagiert Gaddafi Söldner um 3.000 Euro pro Tag.

Kein Ende der brutalen Kämpfe um die Macht in Libyen. Muammar Gaddafi gibt noch nicht auf. Auch gestern gab es in der Hauptstadt Tripolis bei blutigen Auseinandersetzungen zahllose Tote und Verletzte. So schossen Gaddafi-Söldner in der Stadt Misrata auf eine Trauergemeinde.

„Außer Kontrolle“
Doch nicht nur gegen sein eigenes Volk muss Gaddafi nun ankämpfen, auch immer mehr Verbündete wenden sich von dem 68-Jährigen ab. Jetzt entzog ihm sogar Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi das Vertrauen. „Gaddafi hat die Situation in Libyen nicht mehr unter Kontrolle“, sagte Berlusconi am Samstag.

Zuvor verlor Gaddafi bereits einen wichtigen Verbindungsmann in die westliche Welt: Sein Botschafter bei der UNO wandte sich mit einer bewegenden Rede vom Regime ab. Auch Gaddaf al Dam, ein Cousin des libyschen Staatschefs, entzog ihm das Vertrauen.

Doch Gaddafi will sich nicht einschüchtern lassen. Sein bisher letzter Auftritt erfolgte Freitag um 17.55 Uhr am Grünen Platz in Tripolis: „Wir können jeden Angriff abwehren und das Volk bewaffnen.“ Gadaffi-Sohn Saif beschimpfte unterdessen die Demonstranten als „Terroristen“.

Söldner eingekauft
Angeblich soll der Diktator, der sich nun in einem Kasernen-Bunker in Tripolis verschanzt hat, Tausende Söldner in ganz Afrika angeheuert haben, um seine Macht zu verteidigen. Ihr Lohn: 3.000 Euro am Tag. Seit gestern patrouillieren auch immer mehr schwer bewaffnete Zivilisten in Tripolis.

Gegenregierung
Inzwischen fliehen Tausende aus der Gefahrenzone. Österreichs Botschafterin Dorothea Auer verlegte ihre Arbeit an die libysch-tunesische Grenze (siehe unten). Handelsdelegierter David Bachmann floh gar auf eigene Faust über Tunesien nach Wien.

In Bengasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, bildete Libyens Ex-Justizminister Ajleil gestern eine Gegenregierung.

Seite 4: Botschafterin Auer über ihre Flucht aus Tunesien

Botschafterin Auer: „Ich habe Schüsse gehört“

ÖSTERREICH: Sie arbeiten jetzt von Tunesien aus. Wie war Ihre Flucht von Tripolis über die Grenze?
Dorothea Auer: Wir sind in der Früh losgefahren. Da wird weniger gekämpft. Aber schon beim ersten Checkpoint sind wir von bewaffneten Soldaten aufgehalten worden. Das waren noch Gaddafi-Leute, die uns nicht weiterfahren lassen wollten. Nur unser Diplomaten-Status hat uns aus dieser Situation gerettet.

ÖSTERREICH: Was haben Sie auf der Weiterfahrt erlebt?
Auer: Einmal mussten wir durch eine umkämpfte Stadt. Die Hauptstraßen waren verbarrikadiert, ich habe Schüsse gehört.

ÖSTERREICH: Hatten Sie in diesen Situationen Angst?
Auer: Ich glaube, die Angst kommt erst, wenn alles vorbei ist. Aber wie ich in der Früh ins Auto gestiegen bin, hatte ich sehr gemischte Gefühle. Ich wusste: Das wird keine Spazierfahrt.

ÖSTERREICH: Wie gut können Sie jetzt von Tunesien aus arbeiten?
Auer: Wir haben ein provisorisches Büro in einem Hotel aufgebaut. Wir hängen permanent am Telefon, um die verbliebenen 35 Österreicher sicher aus Libyen herauszubekommen.

(knd)

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