Nach dem Erdbeben in Marokko mit mindestens 2.000 Toten stehen die Rettungstrupps vor Herausforderungen. Am Sonntagmorgen kam es zu einem Nachbeben.
Laut der US-Erdbebenwarte USGS hatte es Stärke 3,9. Laut der marokkanischen Nachrichtenseite Hespress wurde dagegen eine Stärke von 4,5 verzeichnet. Dies erschwerte die Bedingungen für die Helfer zusätzlich. Dabei wird das Zeitfenster für die Retter immer knapper.
- Österreicher über Erdbeben in Marokko: "Plötzlich hat alles gewackelt"
- Österreicher berichtet von Marokko-Beben: ''Schreie und absolute Panik''
- Marokko-Beben: Zahl der Toten auf über 2.000 gestiegen
"Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen", teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) mit. Hespress berichtete am Sonntag, dass ein Einsatzteam aus Spanien mit Hunden inzwischen eingetroffen sei, um die lokalen Suchtrupps zu unterstützen.
"Spanische Solidarität"
Spaniens Außenminister José Manuel Albares sprach im Sender Catalunya Radio am Sonntag von einem "Zeichen spanischer Solidarität" und dem "Gefühl der Freundschaft", das die Menschen beider Länder verbinde. Demnach hatte Marokkos Außenminister zuvor in einem Telefonat um Hilfe gebeten. Ein Ministeriumssprecher erläuterte, dass die Regierung bereit sei "sofort" 65 Mitglieder der militärischen Notfalleinheit UME zu entsenden.
Keine Österreicher verletzt
Laut dem österreichischen Außenministerium halten sich in Marokko (Stand Sonntagvormittag) aktuell rund 70 Personen aus Österreich auf. "Wir haben glücklicherweise weiterhin keine Infos dazu, dass jemand von ihnen verletzt wurde", sagte eine Sprecherin. Das Außenministerium sei in ständigem Kontakt mit den Österreicherinnen und Österreichern, hieß es. Man leiste Unterstützung bei der Suche nach Transportmöglichkeiten sowie bei Fragen rund um die Sicherheit in Marokko.
Bundesregierung bereit zu helfen
Auch in Österreich sei bisher noch kein Hilfsersuchen aus Marokko eingetroffen, wurde zudem mitgeteilt. Die Bundesregierung betonte am Samstag, dass man jederzeit bereit sei, zu helfen. "Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt", so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Mitteilung am Samstag. Auch in anderen Ländern halten sich Kräfte weiterhin für einen Hilfseinsatz in Marokko bereit.
Hilfsorganisationen und NGOs arbeiten seit Samstag ununterbrochen. "Der Marokkanische Rote Halbmond (MRH) ist mit seinen über 8.000 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit gestern in den frühen Morgenstunden im Dauereinsatz", wurde Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes am Sonntag in einer Aussendung zitiert. Nach wie vor stehe die Suche und Rettung nach Verschütteten im Fokus der Helfer. Wobei das Zeitfenster für erfolgreiche Lebendrettungen zunehmend kleiner wird", warnte Opriesnig.
Appell an Hilfswillige
Der Generalsekretär richtete zudem am Sonntag auch einen Appell an alle hilfswilligen Menschen in Österreich. "Sehr viele Menschen aus Österreich und Deutschland melden sich bei uns und wollen helfen. Allerdings raten wir momentan davon ab, ins betroffene Gebiet zu reisen", sagte er. "Die Gefahr ist zu groß und Menschen von außen, die untergebracht und verköstigt werden müssen, stellen eine zusätzliche Belastung für Hilfsorganisationen dar." Finanzielle Unterstützungen an professionelle NGOs oder lokale Initiativen würden die Betroffenen in Marokko am besten unterstützen, hieß es. Erneute Spendenaufrufe kamen am Sonntag auch von der Caritas sowie dem Hilfswerk.
300.000 von Beben betroffen
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als 300.000 Menschen in der Stadt Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Sie verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit und Trauer. Die Zahl der Toten stieg nach Angaben marokkanischer Behörden auf inzwischen 2.012. Mindestens 2.059 weitere Menschen wurden verletzt, mehr als die Hälfte davon schwer, wie marokkanische Medien in der Nacht auf Sonntag unter Berufung auf das Innenministerium berichteten.
Das Beben vom späten Freitagabend war das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko. König Mohammed VI. ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Auch die Staats- und Regierungschefs der EU boten in einem Brief an den König ihre Hilfe an und drückten ihre Anteilnahme aus, darunter aus Deutschland. "Als enge Freunde und Partner Marokkos sind wir bereit, Ihnen in jeder Weise zu helfen, die Sie für nützlich halten", schrieb die Regierung in Berlin. Man prüfe, ob in den Katastrophengebieten auch Deutsche unter den Opfern sind. Derzeit lägen keine Kenntnisse darüber vor, hieß es am Samstagnachmittag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.
Seltenes Ereignis in Nordafrika
Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dort liegen Ortschaften entlang steiler und kurvenreicher Serpentinen. Da Erdbeben in Nordafrika relativ selten auftreten, sind Gebäude nach Einschätzung von Experten nicht robust genug gebaut, um solchen starken Erschütterungen standzuhalten. Das Hauptbeben der Stärke 6,8 hatte am späten Freitagabend Panik ausgelöst.
In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden einige Gebäude zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es dauerte mehrere Sekunden an. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind Experten zufolge besonders gefährlich.