Stärke von 6,8

Marokko-Beben: Zahl der Toten auf über 2.000 gestiegen

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Das österreichische Rote Kreuz rief am Samstag zu Spenden für die Erdbebenregion auf. ''Verletzte und Menschen, die alles verloren haben, brauchen jetzt rasch Hilfe'', appellierte Präsident Gerald Schöpfer.

Rabat/Marrakesch. Die Zahl der Todesopfer durch das Erdbeben in Marokko ist auf 2.012 Menschen gestiegen, teilte das marokkanische Staatsfernsehen am späten Samstagabend unter Berufung auf eine Erklärung des Innenministeriums mit. Die Zahl der Verletzten sei auf 2.059 gestiegen, darunter 1.404 Menschen, die sich in einem kritischen Zustand befänden, hieß es weiter. In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude zerstört und Kulturdenkmäler beschädigt.

Dreitägige Staatstrauer ausgerufen

Marokko rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Wie der Königpalast am Samstag mitteilte, sollen während der Staatstrauer die Fahnen an öffentlichen Gebäuden auf halbmast gesetzt werden. Laut der Erklärung, die von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP verbreitet wurde, hatte König Mohammed VI. zuvor eine Krisensitzung geleitet.

Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. "Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist", sagte Hernan. Die historische Altstadt von Marrakesch, die auch Medina genannt wird, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen und gilt als Unesco-Weltkulturerbe.

Keine Österreicher verletzt

Österreicherinnen und Österreicher seien nach bisherigem Wissensstand nicht verletzt worden, teilte das Außenministerium am Samstagvormittag auf APA-Anfrage mit. Aktuell seien rund 60 Personen reiseregistriert, hieß es. Laut Ministerium befinden sich aktuell rund 215 Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher in Marokko. "Sie wurden noch in der Nacht per SMS und Email kontaktiert und werden aktuell von der Botschaft durchgerufen", sagte eine Sprecherin. In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei. Der Flughafen in Marrakesch funktioniere derzeit normal und es gebe genügend Flüge, um zurück nach Österreich zu kommen, teilte das Außenministerium mit.

Das Rote Kreuz ruft zu Spenden auf

Das österreichische Rote Kreuz rief am Samstag zu Spenden für die Erdbebenregion auf. "Verletzte und Menschen, die alles verloren haben, brauchen jetzt rasch Hilfe", appellierte Präsident Gerald Schöpfer. Der marokkanische Rote Halbmond unterstütze bereits mit Erster Hilfe, Psychosozialer Betreuung und mit Evakuierungs- und Transportmaßnahmen, hieß es in einer Aussendung. Ärzte ohne Grenzen betonte am Samstag in einer Mitteilung, man sei bereits in Absprache mit den lokalen Behörden, um erste Teams in die Region zu senden. Spendenaufrufe kamen ebenfalls von den beiden NGOS Care-Österreich sowie "Jugend Eine Welt". "Die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die Familien benötigen nun am dringendsten Wasser, Nahrung, Hygieneartikel, Gesundheitsversorgung und eine sichere Unterkunft", sagte Care-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager.

Schweres Erdbeben in Marokko
© APA/AFP
× Schweres Erdbeben in Marokko

Schweres Erdbeben in Marokko
© APA/AFP
× Schweres Erdbeben in Marokko

Kanzler Nehammer: "Österreich wird jederzeit helfen"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen drückte den Angehörigen der Bebenopfer am Samstagabend auf X (vormals Twitter) sein Beileid aus. "Mit vielen anderen Staaten ist auch Österreich solidarisch und jede mögliche Unterstützung bieten", versprach der Präsident. Bundeskanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) drückten am Samstag in einem gemeinsamen Statement ihre Betroffenheit über das Beben aus. "Katastrophen, wie diese, erfordern internationale Solidarität und Unterstützung. Österreich wird jederzeit helfen, wo in den Katastrophengebieten Marokkos Hilfe benötigt wird", wurde Nehammer zitiert. "Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt", sagte Nehammer. Das Katastrophenhilfeelement des Bundesheers, die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU), stehe jederzeit bereit, betonte Tanner. Zuletzt stand ein AFDRU-Kontingent des Bundesheeres nach dem verheerenden Beben im Süden der Türkei Anfang Februar im Einsatz.

Schweres Erdbeben in Marokko
© AFP/APA
× Schweres Erdbeben in Marokko

Schweres Erdbeben erschüttert Marokko
© APA/AFP/FADEL SENNA
× Schweres Erdbeben erschüttert Marokko

Beben dauerte mehrere Sekunden

Das Beben ereignete sich am späten Freitagabend um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. In der Bevölkerung in den Großstädten brach in der Nacht teilweise Panik aus. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich.

 

 

Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken waren Trümmerhaufen, zerstörte Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein Unesco-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigten schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen. Aus vielen Provinzen wurden Tote gemeldet. Kurz nach dem ersten Beben kam es zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Aus Angst vor weiteren Erschütterungen blieben viele im Freien. Bewohner standen in Straßen oder kauerten auf Gehwegen.
 

 

Rettungskräfte suchen nach Überlebenden 

Rettungskräfte suchten unter den Trümmern nach Überlebenden. Es wurde befürchtet, dass die offizielle Zahl der Opfer weiter steigt, wenn die Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, die Streitkräfte und der Zivilschutz setzten alle Mittel ein, um Hilfe zu leisten und die Schäden zu begutachten. Demnach gibt es die meisten Schäden außerhalb der Städte.

Beben war im Umkreis von 400 Kilometern zu spüren

Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei. Die Erschütterung riss auch in Spanien und Portugal Menschen aus dem Schlaf. Auch in Algerien war es zu spüren. Ob es Schäden oder Opfer gab, wurde nicht bekannt.

Schweres Erdbeben in Marokko
© APA/AFP
× Schweres Erdbeben in Marokko

International war die Betroffenheit groß. Der deutsche SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz drückte sein Mitgefühl aus. "In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens", teilte der Politiker auf der Plattform Twitter (X) mit. UNO-Generalsekretär António Guterres erklärte, die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos zu unterstützen.

Schweres Erdbeben erschüttert Marokko
© APA/AFP/FADEL SENNA
× Schweres Erdbeben erschüttert Marokko

Italiens Präsident Sergio Mattarella bot dem König von Marokko, Mohammed VI., Hilfe bei den Rettungsarbeiten an. "Die Nachricht von dem Erdbeben, das Marokko heute Nacht heimgesucht hat, hat bei allen Italienern und bei mir persönlich große Trauer ausgelöst", wurde Mattarella, der ebenfalls Hilfsbereitschaft bekundete, in einer Mitteilung zitiert. Italien war in den vergangenen Jahren immer wieder von schweren Erdbeben betroffen.

EU bietet Katastrophenhilfe an

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel sicherte Marokko die Unterstützung der EU zu. Weitere Länder boten humanitäre Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau an, neben Spanien und Portugal auch Israel und Großbritannien. Chinas Staatschef Xi Jinping sprach dem König von Marokko sein Beileid aus. Der Papst äußerte in einem Kondolenzschreiben tiefe Trauer. US-Präsident Joe Biden zeigte sich "tieftraurig".

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte sein Mitgefühl aus. "Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite", schrieb Erdogan auf Twitter. Der Südosten seines Landes sowie Syrien waren Anfang Februar selbst von einem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,8 getroffen worden - allein in der Türkei kamen dabei mehr als 50.000 Menschen ums Leben.

Selten Erdbeben in Nordafrika

Erdbeben treten in Nordafrika nur relativ selten auf. 1960 hatte sich nach Angaben des Senders Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben gekommen waren. 2004 erschütterte ein Beben der Stärke 6,4 Marokko. Mehr als 600 Menschen kamen damals ums Leben.

Trotz diplomatischer Spannungen hat Algerien im Zuge des schweren Erdbebens angeboten, den Luftraum zum Nachbarland wieder zu öffnen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS am Samstag berichtete, brachten die algerischen Behörden "ihre volle Bereitschaft zum Ausdruck, humanitäre Hilfe zu leisten". Demnach soll der Luftraum für Flüge von Verwundeten und Verletzten und zum Transport humanitärer Hilfe "im Falle einer Anfrage des Königreichs Marokkos" wieder geöffnet werden. Algerien und Marokko unterhalten seit August 2021 keine diplomatischen Beziehungen mehr.

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