Tories und LibDems

Neue britische Koalition nimmt Arbeit auf

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Sie wollte noch am selben Tag ihre wichtigsten Ziele vorstellen.

Die erste Koalitionsregierung in Großbritannien seit 1945 nahm am Mittwoch ihre Arbeit auf und wollte noch am selben Tag ihre wichtigsten Ziele vorstellen. Hauptaufgabe des Bündnisses aus konservativen Tories und Liberal-Demokraten (LibDem) dürfte dabei der Abbau der Rekordverschuldung des Landes sein. Beide Parteien hatten sich fünf Tage nach der Wahl auf die Bildung einer Koalition geeinigt. Tory-Chef David Cameron kam am Mittwoch zum ersten Mal mit dem neuen Vize-Premier Nick Clegg von von den Liberaldemokraten in der Downing Street zusammen. Im neuen Unterhaus verfügt die Koalitionsregierung über eine Mehrheit von 76 Sitzen.

"Es wird eine harte und schwierige Arbeit", hatte der neue Premierminister Cameron noch am Dienstagabend die Bevölkerung eingestimmt. "Eine Koalition wird uns vor alle möglichen Herausforderungen stellen. Aber ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam eine starke und stabile Regierung stellen werden, die unser Land braucht." Es wird erwartet, dass die Regierung Pläne der Konservativen umsetzen wird, bereits in diesem Haushaltsjahr sechs Milliarden Pfund (6,98 Mrd. Euro) an öffentlichen Ausgaben einzusparen. Das ist früher als die Liberal-Demokraten im Wahlkampf verlangt hatten.

Die Liberaldemokraten konnten neben dem Amt des Vize-Premiers vier Ministerämter heraushandeln. Insgesamt sollen sie 20 Posten in der blau-gelben Regierung bekommen. Zudem soll es entgegen der Tradition künftig einen festen Wahltermin nach fünf Jahren geben. Dies würde bedeuten, dass die nächste Parlamentswahl am ersten Donnerstag im Mai 2015 stattfindet. Bisher hatte der Premier die Möglichkeit, den Wahltermin selbst festzulegen. Zudem soll es eine Volksabstimmung über eine Reform des veralteten britischen Wahlrechts geben.

Um die Koalition zu ermöglichen, stimmten die "Lib Dems" nach tagelangen Verhandlungen Tory-Plänen zu, die Immigration einzudämmen und während der fünf Jahre langen Regierungszeit nicht den Euro einzuführen. Die Liberalen sind eigentlich im Gegensatz zu manchen der konservativen Tories sehr europafreundlich. Clegg war einst Europaabgeordneter und steht auch der Einführung des Euros positiv gegenüber.

LibDem-Unterhändler David Laws verteidigte die Koalitionsvereinbarung. Sie stelle eine Balance her zwischen der Notwendigkeit einer aggressiven Bekämpfung des Haushaltsdefizits und des Schutzes der wirtschaftlichen Erholung im Land. Clegg selbst sagte: "Natürlich wird es Probleme und Pannen geben. Aber ich werde mein Bestes tun, um zu beweisen, dass eine neue Politik nicht nur möglich ist, sondern auch besser."

Der neue Außenminister William Hague sprach von "exzellenten Arbeitsbeziehungen" zwischen den Parteien. Neuer Finanzminister wird mit George Osborne ein enger Freund Camerons, dessen Hauptaufgabe die Haushaltskonsolidierung sein wird. Er kündigte bei seinem Amtsantritt Strukturreformen des Systems an, "so dass es fairer zu Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen ist". Es werde langfristige Reformen im Bankensystem, in der Bildung und der sozialen Absicherung geben.

Außenpolitisch ist die Lösung des Konflikts in Afghanistan eines der Top-Themen für die neue Regierung. Schon an seinem ersten Tag im Amt wollte Cameron am Mittwoch einen Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Dabei wollte er sich über die Situation in Afghanistan und Pakistan und die Terrorgefahr für Großbritannien informieren. Außenminister Hague kündigte an, er wolle die Militäroperation der Briten in Afghanistan so schnell wie möglich "in den Griff bekommen".

Glückwünsche gab es für David Cameron allerorten: US-Präsident Barack Obama, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gratulierten dem neuen britischen Premierminister zum Amtsantritt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hofft auf eine "enge Zusammenarbeit" mit dem neuen Premier. Fast zeitgleich bekräftigte der neue britische Außenminister Hague allerdings seine europakritische Linie. Mit dem liberaldemokratischen Koalitionspartner sei beschlossen worden, dass in der nächsten Legislaturperiode keine weitere Macht von London nach Brüssel übertragen werden solle, sagte der Tory-Politiker am Mittwoch im BBC-Radio. Er hoffe, dass es mit den eigentlich europafreundlichen Liberalen keine Schwierigkeiten in EU-Fragen geben werde. Die Tories hatten in ihrem Wahlmanifest festgeschrieben, dass es Volksabstimmungen geben soll, wenn mehr Macht an die Europäische Union gehen soll.

Russland hofft nach dem Regierungswechsel in Großbritannien auf eine deutliche Verbesserung der zerrütteten bilateralen Beziehungen. Moskau wünsche sich, dass die neue Koalition dafür "ausreichend politischen Willen zeigt", sagte der Berater von Kremlchef Dmitri Medwedew, Sergej Prichodko, nach Angaben der Agentur Interfax. Er kritisierte, dass die russisch-britischen Beziehungen unter Ex-Premier Gordon Brown "fast eingefroren" gewesen seien. Die Schuld daran gab Prichodko den Briten.

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