Ein neu entdecktes Himmelsobjekt wirft Fragen über unser Sonnensystem auf – und könnte die bisherige Vorstellung davon grundlegend verändern.
Ein Forschungsteam hat ein neues Objekt entdeckt, das sich weit außerhalb der bisher bekannten Grenzen unseres Sonnensystems bewegt. Das Himmelsobjekt, vorläufig „2017 OF201“ genannt, befindet sich in einer enormen Entfernung von der Sonne – so weit, dass es selbst Pluto weit hinter sich lässt.
Dies ist ein Bild von Ceres, dem erdnächsten Zwergplaneten im Sonnensystem. Ein neuer Zwergplanet, der extrem weit von der Sonne entfernt ist, könnte soeben entdeckt worden sein.
Enorme Entfernungen jenseits unseres Vorstellungsvermögens
Zum Vergleich: Die Erde ist eine astronomische Einheit (AE) von der Sonne entfernt – das entspricht etwa 150 Millionen Kilometern. Das nun entdeckte Objekt kommt der Sonne in seiner elliptischen Umlaufbahn nie näher als 44,5 AE. An seinem entferntesten Punkt liegt es sogar 1.600 AE entfernt. Das entspricht mehr als 240 Milliarden Kilometern. Solche Entfernungen sind auf der Erde kaum fassbar.
Eine Reise von 25.000 Jahren um die Sonne
Das Besondere an 2017 OF201 ist seine extrem lang gestreckte Umlaufbahn. Während Pluto rund 248 Erdjahre für einen Umlauf um die Sonne benötigt, dauert ein „Jahr“ auf 2017 OF201 unglaubliche 25.000 Erdjahre.
Ein zusammengesetztes Bild zeigt die fünf anerkannten Zwergplaneten im Sonnensystem sowie den neuen Kandidaten 2017 OF201.
Wie dieses Objekt an den Rand des Sonnensystems geraten ist, ist derzeit noch unklar. Möglicherweise wurde es durch eine enge Begegnung mit einem großen Planeten wie Jupiter oder Neptun auf diese Bahn geschleudert. Eine andere Vermutung ist, dass es ursprünglich in die sogenannte Oortsche Wolke befördert wurde – eine Region mit uralten Eisobjekten, die das Sonnensystem wie eine Kugel umgibt. Diese Wolke gilt bislang allerdings nur als theoretisches Modell, da die enthaltenen Objekte zu lichtschwach und weit entfernt sind, um sie direkt zu beobachten.
Neue Zwergplanet-Kandidatin
Am 21. Mai wurde die Entdeckung offiziell durch das Minor Planet Center der Internationalen Astronomischen Union bekannt gegeben. Das Zentrum katalogisiert neu entdeckte Monde und kleinere Himmelskörper im Sonnensystem. Mit einem geschätzten Durchmesser von etwa 700 Kilometern (rund 435 Meilen) könnte 2017 OF201 als Zwergplanet eingestuft werden – genauso wie Pluto, der 2006 seinen Status als vollwertiger Planet verloren hatte.
Das steckt hinter der Entdeckung
Die Entdeckung gelang unter der Leitung von Sihao Cheng vom Institute for Advanced Study in den USA. Unterstützt wurde er dabei von Studierenden der Princeton University (New Jersey, USA). Das Team wertete Archivbilder aus, die mit zwei Teleskopen aufgenommen wurden: dem Victor M. Blanco Telescope in Chile (Südamerika) und dem Canada-France-Hawaii Telescope auf Hawaii (USA). Mithilfe spezieller Computerprogramme verfolgten sie Lichtpunkte, die sich nur sehr langsam am Himmel bewegten – ein Hinweis auf große Entfernung und geringe Geschwindigkeit.
Spuren zu einem möglichen „Planeten 9“
Ursprünglich suchten Cheng und sein Team nach einem noch unentdeckten neunten Planeten, oft auch „Planet 9“ genannt. Dieser hypothetische Himmelskörper soll weit jenseits von Neptun existieren und durch seine Schwerkraft für bestimmte Anordnungen anderer Objekte verantwortlich sein.
Interessanterweise passt 2017 OF201 nicht in dieses Muster. Es bewegt sich anders als andere bisher bekannte Objekte im äußeren Sonnensystem. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der sogenannte „Planet 9“ möglicherweise gar nicht existiert. Diese Einschätzung teilte auch Jiaxuan Li, ein Teammitglied, auf seiner persönlichen Website. Die wissenschaftliche Analyse der Gruppe wurde auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlicht.
Der Rand des Sonnensystems
Früher ging man davon aus, dass es jenseits des Kuipergürtels, wo sich Pluto befindet, nicht mehr viele Objekte gibt. Doch spätestens seit die NASA-Sonde „New Horizons“ im Jahr 2019 ein entferntes Objekt namens Arrokoth fotografierte – ein rot gefärbtes Gebilde in Form einer Hantel – mehren sich die Hinweise, dass es dort draußen doch noch einiges zu finden gibt.
Die Sonde ist übrigens noch immer unterwegs und hat den tatsächlichen Rand des Sonnensystems bislang nicht erreicht. Das zeigt, wie groß der bislang unerforschte Bereich wirklich ist. Wenn 2017 OF201 nur etwa ein Prozent seiner Umlaufzeit in Bereichen verbringt, in denen es überhaupt sichtbar ist, lässt sich nur erahnen, wie viele ähnliche Himmelskörper noch unentdeckt sind. Cheng meint dazu: „Allein durch dieses eine Objekt können wir vermuten, dass es möglicherweise Hunderte weitere gibt, die sich ähnlich weit entfernt befinden – sie sind einfach noch nicht sichtbar für uns.“