Was ist an den Gerüchten dran?

"Schmutzige Bombe" beschäftigt Top-Militärs weiter

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Was ist wirklich dran an der Atombomben-Drohung? Frankreich, Großbritannien und USA weisen Russlands Behauptung als "eindeutig falsch" zurück - Kreml beharrt auf Atomvorwürfen gegen Kiew.

Russland hat Medienberichten zufolge seiner Sorge vor einem möglichen Einsatz einer "schmutzigen Bombe", eines mit radioaktivem Material versetzten Sprengsatzes, durch die Ukraine erneut Ausdruck verliehen. Der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow habe das Thema mit seinem britischen Kollegen Tony Radakin besprochen, melden russische Nachrichtenagenturen am Montag, ohne Details zu nennen.

Eine Sprecherin der noch amtierenden britischen Premierministerin Liz Truss bestätigte das Gespräch und wies die Vermutung der russischen Führung erneut zurück. Der deutsche Grünen-Co-Chef Omid Nouripour bezeichnete die russische Behauptung, die Ukraine plane die Zündung einer "dreckigen Bombe", als eine von vielen russischen Lügen in dem Krieg. Dies sei reine Propaganda.

Die westlichen Atommächte Frankreich, Großbritannien und die USA hatten Russlands Behauptung zurückgewiesen, die Ukraine wolle auf ihrem eigenen Gebiet eine nuklear verseuchte Bombe zünden. Die Behauptung über eine sogenannte "schmutzige Bombe" sei eindeutig falsch, hieß es in einem gemeinsamen Statement der Außenminister der Länder vom frühen Montagmorgen. "Die Welt würde jeden Versuch durchschauen, diese Behauptung als Vorwand für Eskalation zu nutzen."

US-Außenminister Blinken: Russische Vorwürfe falsch

Auch US-Außenminister Antony Blinken hatte am Sonntagabend via Twitter gesagt, dass die russischen Vorwürfe falsch seien. Er habe darüber mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba gesprochen und ihm die weitere Unterstützung der USA zugesagt.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte zuvor nach Angaben seines Ministeriums gegenüber den europäischen Atommächten Großbritannien und Frankreich behauptet, Kiew plane zur Diskreditierung Moskaus die Zündung einer radioaktiven Bombe. Auch der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar bekam demnach einen Anruf Schoigus.

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sagte nach seinem Telefonat mit Schoigu, er habe die Behauptungen zurückgewiesen und gemahnt, solche Vorwürfe sollten nicht als Vorwand für eine weitere Eskalation genutzt werden. Außerdem habe er den Wunsch nach einer Deeskalation betont.

Am Montag sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge erneut, dass Kiew Moskau mit der Zündung einer "schmutzigen Bombe" diskreditieren wolle: "Die Gefahr liegt auf der Hand." Darauf angesprochen, dass die USA, Großbritannien und Frankreich die Vorwürfe in Zweifel ziehen, erklärte er: "Ihr Misstrauen gegenüber der Information, die ihnen von russischer Seite gegeben wurde, bedeutet nicht, dass die Gefahr des Einsatzes einer "schmutzigen Bombe" aufhört zu bestehen."

Lawrow will vor die UNO

Außenminister Sergej Lawrow will den Fall unterdessen vor die Vereinten Nationen (UNO) bringen. Der russische Chefdiplomat erklärte, es gebe "konkrete Informationen zu den Instituten in der Ukraine, die über entsprechende Technologien verfügen, solch eine "schmutzige Bombe" zu bauen". Die westliche Reaktion sei angesichts der bedingungslosen Unterstützung für Kiew erwartbar gewesen, sagte Lawrow. In der UNO hoffe er allerdings auf eine "professionelle Erörterung" des Themas.

Als "schmutzige Bombe" werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, die auch radioaktives Material verstreuen. Die Ukraine hat nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Atomwaffen abgegeben. "Die russischen Lügen über angebliche Pläne der Ukraine, eine "schmutzige Bombe" zu nutzen, sind so absurd wie sie gefährlich sind", reagierte Außenminister Kuleba auf Twitter. Die Ukraine stehe treu zum Atomwaffensperrvertrag. "Die Russen beschuldigen andere oft dessen, was sie selber planen", warnte Kuleba in Kiew.

Bei einer "dirty bomb" handle es sich "um keine Massenvernichtungswaffe im klassischen Sinne, sonder viel eher um eine Massenverunsicherungswaffe, bei der der psychologische Effekt jedenfalls den radiologischen übersteigt", sagt dazu Oberst Berthold Sandtner, Referatsleiter Führungslehre und Forscher am Institut für höhere militärische Führung an der Landesverteidigungsakademie des Bundesministeriums für Landesverteidigung in Wien.

Frankreich, Großbritannien und die USA versicherten in ihrem Schreiben, der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe sowie Unterstützung im Wirtschafts- und Sicherheitsbereich leisten zu wollen. "Wir halten daran fest, die ukrainischen Anstrengungen, ihr Territorium zu verteidigen, so lange wie nötig weiter zu unterstützen."
 

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