Tschechischer Ex-Außenminister:

Schwarzenberg rechnet mit Zerfall Russlands

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Der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg rechnet infolge des Ukraine-Kriegs mit einem Zerfall Russlands.

"Der Dekolonialisierungsprozess wird sich in der Russischen Föderation fortsetzen. Russland wird zerfallen. Große Teile werden sich, sobald sie können, selbstständig machen", sagte Schwarzenberg der "Presse am Sonntag". Russland verglich er diesbezüglich mit Deutschland, das erst die Niederlage im Zweiten Weltkrieg vom Imperialismus "geheilt" habe.

"Russland kennt seine Grenzen nicht"

Seit dem 15. Jahrhundert habe sich Russland "ständig erweitert", betonte Schwarzenberg. Für die Generation von Kreml-Chef Wladimir Putin sei der Zusammenbruch der Sowjetunion "die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen", die er "wiedergutmachen" wollte. "Die Tragödie Russlands ist, dass es seine Grenzen nicht kennt. Jede Imperialmacht muss eine große Niederlage erleben, bevor sie wieder zu normalem Denken zurückkehrt."

Mit historischen Analogien untermauerte Schwarzenberg auch seine Unterstützung für den Abwehrkampf der Ukraine. "In der Vergangenheit hat es immer wieder diese Idee gegeben, dass sich die kleinen Nationen gefälligst für die größeren opfern sollten. Ob das 1938 in München oder 1945 in Jalta war. Doch dieses Denken führt uns immer wieder in Katastrophen."

Schwarzenberg sieht Ukraine in EU

"Selbstverständlich" kann sich Schwarzenberg die Ukraine als EU-Mitglied vorstellen, an eine NATO-Mitgliedschaft der Ex-Sowjetrepublik glaube er aber "noch nicht". Hingegen kann er sich vorstellen, dass sich in Bezug auf Russland eine "Wiederholung der Szenerie nach 1945 ergeben" könnte. So wie damals Deutschland "relativ schnell in den Westen integriert" worden sei, könnte auch der Westen die besiegten Russen "als Verbündete gegen China" brauchen.

Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stellte Schwarzenberg in eine Reihe mit dem früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, dem wesentliche Verdienste um das Ende der Sowjetunion und ihrer Dominanz in Osteuropa zugeschrieben werden. "Zwei Präsidenten, die die Geschichte verändert haben, fingen beide als Schauspieler an und füllten ihre Rollen erst danach als Politiker voll aus: Ronald Reagan und Wolodymyr Selenskij", so Schwarzenberg.

Ära Kurz für ÖVP existenzgefährdend

Während er nicht mit einer Wahl von Ex-Premier Andrej Babiš zum tschechischen Präsidenten beim Urnengang im Jänner rechnet, sieht er die österreichische Kanzlerpartei ÖVP existenzgefährdet. Die Zeit von Sebastian Kurz sei "eine Katastrophe für Österreich" gewesen. "Ich bin gespannt, ob sich die ÖVP von ihm erholen wird. Ich habe schon damals gesagt. Wenn Sebastian Kurz so endet, wie ich erwarte, kann das auch das Ende der ÖVP sein."

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