Ukraine-Krise

Selenskyj: Schlacht um Sjewjerodonezk entscheidet über Donbass

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Im Osten der Ukraine setzen russische Truppen nach ukrainischen Angaben ihre Angriffe auf Wohn- und Industriegebiete in der schwer umkämpften Stadt Sjewjerodonezk fort.

Durch den Beschuss der Chemiefabrik Azot seien vier Menschen getötet worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, am Donnerstag auf Telegram. Das Schicksal des Donbass im Osten der Ukraine entscheide sich nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit dieser Schlacht.

Die Anlage wird nach ukrainischen Angaben von Hunderten Zivilisten als Luftschutzbunker genutzt. Eine vergleichbare Einkesselung durch russische Truppen wie bis vor kurzem in der Hafenstadt Mariupol drohe derzeit jedoch nicht. Von russischer und prorussischer Seite wird immer wieder der Vorwurf geäußert, die Ukrainer hätten die Zivilisten in die Azot-Keller gelockt und das Gelände dann vermint. Belege dafür gibt es nicht. Mehr als 90 Prozent des Luhansker Gebiets, in dem Sjewjerodonezk liegt, ist von Russland bereits besetzt. Der russische Angriffskrieg auf das Nachbarland dauert inzwischen schon dreieinhalb Monate. Die Angaben der Kriegsparteien können oft nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.

"Das ist ein sehr brutaler Kampf, sehr hart, vielleicht der schwierigste in diesem ganzen Krieg", erklärte Selenskyj zu den Kämpfen in Sjewjerodonezk in einer Videobotschaft. Hauptkriegsschauplatz in dem Gebiet bleibe Sjewjerodonezk. "Im wesentlichen ist es hier, wo über das Schicksal unseres Donbass entschieden wird." Der ukrainische Generalstab teilte am Donnerstag mit, die russische Armee greife mit Artillerie und Mehrfachraketenwerfern an und ziele in Sjewjerodonezk und anderen Orten auf die zivile Infrastruktur. Russland weist Vorwürfe zurück, nichtmilitärische Ziele anzugreifen.

Ukrainische Soldaten wurden zuletzt an den Rand von Sjewjerodonezk zurückgedrängt, das durch russische Bombenangriffe bereits weitgehend zerstört ist. Die Ukraine kontrolliert nach eigenen Angaben weiterhin die durch einen Fluss getrennte Zwillingsstadt Lyssytschansk. Diese ist aber ebenfalls schweren Bombardements ausgesetzt. Die beiden Städte befinden sich in der Region Luhansk, die zusammen mit der Region Donezk den Donbass bildet. Vor der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar kontrollierten pro-russische Separatisten rund ein Drittel des Donbass.

Auf dieses überwiegend russisch-sprachige Gebiet hat das russische Militär zuletzt den Fokus seines Angriffs verlagert, nachdem es in anderen Landesteilen einige empfindliche Rückschläge einstecken musst - etwa als es im März vor den Toren der Hauptstadt Kiew zurückgeschlagen wurde. Die Regierung in Moskau spricht von einer "Spezialoperation" im Nachbarland. Die Ukraine und westliche Staaten werfen Moskau einen Angriffskrieg vor, der mittlerweile Zehntausende Menschen das Leben gekostet hat. Laut den Vereinten Nationen sind seit dem 24. Februar sieben Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach will am Donnerstag bei einem Besuch in der Ukraine deutsche Hilfe bei der Versorgung von Verletzten anbieten. Dies kündigte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk an. Dabei gehe einerseits um Behandlungen in Deutschland, aber auch um die Versorgung Verletzter in dem kriegsgeplagten Land selbst. Lauterbach nannte konkret Hilfen für Menschen mit schweren Verbrennungen sowie für Menschen, die im Krieg Gliedmaßen verloren haben.

Lauterbach hatte am Mittwochabend kurzfristig angekündigt, dass er auf Einladung der ukrainischen Regierung in die Ukraine reisen werde. Seit Kriegsbeginn waren dort auch schon Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Entwicklungsministerin Swenja Schulze (SPD) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zu Besuch. Der russische Angriffskrieg auf das Nachbarland dauert inzwischen schon mehr als drei Monate.

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