Sanktionsstreit

Unmut in EU über "Geiselnahme" durch Ungarn bei Ölembargo

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Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen Ungarn, das das geplante Einfuhrverbot für russisches Öl ablehnt. ''Die ganze Union wird von einem Mitgliedstaat in Geiselhaft gehalten'', kritisierte er. 

Brüssel/Kiew (Kyjiw)/Moskau. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat sich am Rande eines Treffens mit EU-Amtskollegen am Montag in Brüssel hinsichtlich einer Einigung auf ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland "in den nächsten Tagen" zuversichtlich gezeigt. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen Ungarn, das das geplante Einfuhrverbot für russisches Öl ablehnt. "Die ganze Union wird von einem Mitgliedstaat in Geiselhaft gehalten", kritisierte er.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell warnte vor Hoffnungen auf einen schnellen Durchbruch. "Wir tun unser Bestes, um die Blockade aufzuheben", sagte Borrell am Montag in Brüssel. Da es "ziemlich feste Positionen" gebe, könne er aber nicht garantieren, dass dies bei den Diskussionen gelinge. Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn meinte, es werde noch Zeit brauchen, bis das sechste Sanktionspaket einschließlich des Öl-Embargos stehe.

Deutsche Außenministerin zuversichtlicher

Zuversichtlicher zeigte sich die deutsche Außenministerin. "In den nächsten Tagen werden wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen - da bin ich sehr zuversichtlich", sagte Annalena Baerbock. "In diesen Zeiten stehen wir als Europäerinnen und Europäer trotz aller Unterschiede so eng zusammen wie ich es bisher noch nie erlebt habe." Baerbock machte zudem deutlich, dass sie ein Öl-Embargo ganz ohne Ungarn und andere kritische Länder für eine sehr schlechte Idee hält. "Es ist wichtig, dass alle Länder den Weg des Ausstiegs gemeinsam gehen können", sagte die deutsche Grünen-Politikerin. Man dürfe sich "keinen Millimeter" spalten lassen.

Ein "gewisser Diskussionsbedarf" sei "ganz klar", nicht alle Staaten seien - Stichwort Erdöl - gleich schwer betroffen, erklärte Schallenberg. Er kritisierte außerdem die öffentliche Diskussion und pochte auf Einigkeit der EU. "Die Debatte sollte dort geführt werden, wo sie geführt werden sollte, nämlich hinter geschlossenen Türen im Rat und wir dann an die Öffentlichkeit treten, wenn wir eine Einigung haben." Ein "gemeinsames Auftreten" und "Geschlossenheit" der EU-Staaten seien für Schallenberg "das Wesentliche", das habe man "bisher auch geschafft". Man dürfe in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck von Uneinigkeit erwecken. "Russland beobachtet uns."

Was die Strafmaßnahmen betrifft, sei der "Militärkomplex" in Russland ein Bereich, in "den wir sehr stark reingehen müssen", sagte der österreichische Außenminister. Das wäre dann auch Teil des sechsten Sanktionspakets. Aber "wir müssen auch sehen, was wir schon erreicht haben", so Schallenberg. Die Schrauben könnten jedoch noch angezogen werden.

Szijjart: "Noch keinen seriösen Vorschlag erhalten"

Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte, seine Regierung habe noch immer keinen seriösen neuen Vorschlag der EU-Kommission erhalten. Eine Modernisierung der Energie-Infrastruktur Ungarns würde Kosten im Volumen von 15 bis 18 Milliarden Euro veranschlagen, schrieb der Minister auf Facebook. Eine Alternative wäre, von dem Import-Stopp Öl-Einfuhren über Pipelines auszuschließen. Die EU-Kommission hatte Ungarn zuletzt eine Übergangsphase bis Ende 2024 vorgeschlagen.

Die Außenminister der EU-Staaten berieten bei dem Treffen am Montag in Brüssel über die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Krieg. Als Gast nahm auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba teil. Zudem hat die EU auch die kanadische Außenministerin Mélanie Joly eingeladen. Überschattet wird die Zusammenkunft von dem anhaltenden Streit innerhalb der EU über ein Einfuhrverbot für russisches Öl.

Die Pläne dafür stehen derzeit auf der Kippe, weil Ungarn nicht gewillt ist, das Projekt zu unterstützen. Das Land begründet dies mit seiner großen Abhängigkeit von russischen Öllieferungen und den hohen Kosten für eine Umstellung auf andere Lieferanten. Zustimmen will Ungarn einem Embargo nur dann, wenn es von der EU milliardenschwere Beihilfen oder weitreichende Ausnahmeregelungen bekommt. Dies wollen jedoch andere EU-Staaten nicht akzeptieren.

Verhandlungen der EU-Staaten über Ölembargo

Die Verhandlungen der EU-Staaten über ein Ölembargo hatten eigentlich bereits vor mehr als einer Woche abgeschlossen werden sollen. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, wegen des Ukraine-Kriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten zu beenden. Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen. Nachbesserungsangebote konnten Ungarn bisher nicht zu einer Aufgabe der Blockade bewegen.

Kuleba drängte bei dem Treffen auf ein zügiges Importverbot für russisches Öl und Gas. "Ich möchte daran erinnern, dass europäische Staaten weiterhin jeden Tag Millionen von Euro für russisches Öl und Gas ausgeben", sagte Kuleba in Brüssel. Dieses Geld finanziere dann "die russische Kriegsmaschine, Aggressionen und Gräueltaten". Die EU würde damit "zwei Mal" bezahlen. Zunächst Russland und dann für die Unterstützung der Ukraine und die Zerstörung, die russische Waffen anrichteten. Sanktionen gegen russisches Gas und Öl seien somit auch zum Wohl der EU.

Weitere 500 Millionen Euro für Lieferung von Waffen

Formell beschließen sollen die Außenminister am Montag weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte. Damit würden sich die für die Ukraine zur Verfügung stehenden EU-Mittel für Militärhilfe auf zwei Milliarden Euro erhöhen. Zudem soll es bei dem Treffen auch um die EU-Beitrittsperpektiven für die Westbalkanstaaten gehen. Deren Außenminister sind zu einem Mittagessen eingeladen.

Schallenberg forderte in Sachen Westbalkan "endlich Nägel mit Köpfen zu machen". Der Region müsse klar signalisiert werden: "Eure Zukunft ist innerhalb der Europäischen Union", sagte Schallenberg. "Wir dürfen sie nicht verlieren, Russland hat ein Schädigungspotenzial auch in dieser Region", erklärte der Außenminister. Es sei die "wesentlichste geostrategische Aufgabe" der EU, dafür zu sorgen, "dass es das europäische Werte- und Lebensmodell ist, das zum Durchbruch kommt". Es müssten Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufgenommen, die Visa-Liberalisierung mit dem Kosovo thematisiert werden und "wenn wir über die Ukraine reden, müssen wir auch über Bosnien-Herzegowina reden", forderte Schallenberg.

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