Zehn Jahre Haft

UNO-Tribunal verurteilte Seselj

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Freispruch aus dem Jahr 2016 aufgehoben, Haftstrafe aber bereits verbüßt.

Der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jugoslawien-Krieg rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Nachfolgemechanismus des Haager UNO-Tribunals (ICTY) hat am heutigen Mittwoch einen Freispruch aus dem Jahr 2016 aufgehoben. Das Gericht stellte zugleich fest, dass Seselj die Strafe bereits verbüßt habe.

Seselj muss somit nicht neuerlich ins Tribunalsgefängnis, in dem er fast zwölf Jahre verbracht hatte. Im Vorfeld der Urteilsverkündung hatte er gesagt, dass er "nie mehr freiwillig nach Den Haag zurückkehren" werde. Somit wohnte er auch der Urteilsverkündung nicht bei. Die Ankläger hatten im Berufungsverfahren eine 28-jährige Haftstrafe gegen Seselj gefordert.

Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit

Der Berufungssenat fand Seselj der Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig. Konkret wurde auch seine Hassrede gegen lokale kroatische Bevölkerung in dem Vojvodina-Dorf Hrtkovci am 6. Mai 1992 erwähnt. Darauf folgten ihre Vertreibung, Aussiedlung oder Schikanierung.

Das Urteil erspart dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic eine Kraftprobe mit seinem ehemaligen politischen Ziehvater. Vucic hatte sich Aufrufen widersetzt, Seselj nach Den Haag auszuliefern. Bei einer längeren Haftstrafe, die er hätte absitzen müssen, wäre der Druck wohl noch stärker geworden.

Vucic hatte sich politisch im Jahr 2008 vom Ultranationalisten getrennt und einen pro-europäischen Kurs eingeschlagen. Nach seiner Freilassung wurde Seselj politisch wieder aktiv und ist ein scharfer Kritiker von Vucic. Der Ultranationalist sitzt für die Serbische Radikale Partei (SRS) im serbischen Parlament. Bei der Präsidentenwahl im Vorjahr landete er mit 4,5 Prozent der Stimmen auf dem fünften Platz.

Marathonprozess

Der Ultranationalist hatte sich dem UNO-Tribunal im Februar 2003 gestellt. Im November 2014 wurde er aus Gesundheitsgründen vorläufig aus dem Tribunalsgefängnis entlassen und durfte den Abschluss des Gerichtsverfahrens auf freiem Fuß abwarten.

Der Marathonprozess gegen den Ultranationalisten, der in den 1990er Jahren eine Zeit lang auch Bündnispartner der Sozialisten von Slobodan Milosevic war, begann im November 2006 und wurde im Jänner 2010 abgeschlossen. Seselj hatte sich wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der Vojvodina zu verteidigen. Der Freispruch in erster Instanz wurde im März 2016 verkündet.
 

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