In Wien kam es zu einem berührenden Treffen zwischen Natascha Kampusch und Ingrid Betancourt, die sechs Jahre in Kolumbien in Geiselhaft war.
Ihre Geschichte bewegte die ganze Welt: Sechseinhalb Jahre war Ingrid Betancourt als Geisel der FARC-Rebellen unter unmenschlichen Bedingungen im Dschungel Kolumbiens gefangen gehalten worden. Nun bekam sie als „Fürsprecherin für Frieden und Demokratie“ in Wien den den „Woman of the Year Award“ von Kanzler Alfred Gusenbauer überreicht.
„Kampusch wie eine Schwester“
Doch nicht nur die
Preisverleihung des wichtigsten Frauen-Awards der Welt führte Betancourt
nach Wien. Bereits kurz nach dem Festakt traf sie Natascha Kampusch. Von
15.10 Uhr bis kurz nach 17 Uhr dauerte das sehr persönliche Gespräch
zwischen Betancourt und Kampusch, völlig unter Ausschluss der
Öffentlichkeit. „Kampusch hat dasselbe erlebt wie ich, sie ist wie eine
Schwester für mich“, erklärte Betancourt mit Tränen in den Augen. „Ich
wollte sie einfach umarmen und ihr sagen, dass sie in meinem Herzen ist.“
Sie verstehe voll und ganz, dass Kampusch nicht über ihre Erlebnisse in Gefangenschaft sprechen wolle, so Betancourt: „Ich kann das sehr gut verstehen, auch ich will nicht über alle Details meiner Gefangenschaft reden.“ Auch Natascha Kampusch war von dem Treffen tief bewegt und drückte Betancourt ihre ganze Bewunderung aus.
Interesse an Fritzl-Schicksal
Auch ein Treffen mit der Familie
Fritzl, den Opfern des Amstettener Inzestdramas, wäre für Betancourt
erstrebenswert gewesen. Allerdings, so Betancourt: „Die Fritzls leben noch
in ihrer ganz eigenen Welt. Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Treffen mit ihnen
noch unpassend. Aber auch ihr Schicksal berührt mich sehr.“
Drei Tage Wien
Aus Wien reist Betancourt erst am Montag, nach
einem Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer wieder ab. Im Gespräch mit
ÖSTERREICH erklärte die Preisträgerin, wie sie all die Jahre in
Gefangenschaft überleben konnte: „Auch wenn es komisch klingt: Gott gab mir
während all dieser Jahre im Dschungel Kraft. Unter den Rebellen gab es nur
ihn für mich.“
"Wollte Natascha nur umarmen" Ingrid Betancourt: Gott gab mir während all dieser Jahre meine Kraft. Im Dschungel gab es nur ihn für mich. Frage: Sonntag Nachmittag haben Sie Natascha Kampusch zu einem persönlichen Gespräch getroffen, warum? Betancourt: Sie ist wie eine Schwester für mich und hat das erlebt, was ich auch erlebt habe. Ich wollte sie einfach umarmen und ihr sagen, dass sie in meinem Herzen ist. Frage: Werden Sie je nach Kolumbien zurückkehren? Betancourt: Als Politikerin sicher nicht, denn ich bin dort nicht mehr sicher. Frage: Werden Sie denn weiterhin von den FARC-Rebellen bedroht? Betancourt: Ja, alle die Anfang Juli aus der Gefangenschaft befreit wurden, sind zu „Geflohenen“ erklärt worden. Wenn die Guerillas die Möglichkeit dazu bekämen, würden sie uns töten. Frage: Derzeit werden Sie mit Ehrungen überhäuft. Was bedeuten Ihnen diese? Betancourt: Sie sind für mich sehr wichtig, denn Sie zeigen mir, dass viele Menschen so denken wie ich. Es ist eine Möglichkeit, weiter für meine Sache zu kämpfen und nicht aufzugeben. Frage: Sie sprechen von der Befreiung anderer Geiseln? Betancourt: Ja, ich hoffe, dass viele nicht noch ein Weihnachtsfest getrennt von ihren Familien im Dschungel erleben müssen, sondern freikommen. |
(c) Lisi Niesner