Haiti-Erdbeben

Nur langsame Verteilung der Hilfsgüter

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Zehn Österreicher wurden immer noch nicht gefunden.

Nach dramatischen Anfangsschwierigkeiten kommt die Verteilung von Versorgungsgütern für die Erdbebenopfer in Haiti immer noch zu langsam voran. Hilfsorganisationen bemühten sich fieberhaft um die Weiterleitung von Wasser und Lebensmitteln, wurden jedoch immer wieder auf blockierten Straßen aufgehalten. Die US-Streitkräfte übernahmen die Kontrolle über den Flughafen von Port-au-Prince und koordinieren nun die Ankunft der Maschinen mit Hilfsgütern.

Bis Montag sollen 9.000 bis 10.000 US-Soldaten in Haiti oder auf Schiffen vor der Küste im Einsatz sein, wie US-Generalstabschef Mike Mullen mitteilte. Eine Luftlandeeinheit begann bereits mit der Verteilung von Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten. In Washington sagte US-Präsident Barack Obama: "Es liegen noch viele schwierige Tage vor uns."

USA beratet über Hilfe für Haiti
Er sprach am Freitag telefonisch mit dem haitianischen Präsidenten Rene Preval und sicherte ihm Unterstützung zu. Für Samstagvormittag (16.30 Uhr MEZ) kündigte Obama ein Treffen mit seinen Amtsvorgängern George W. Bush und Bill Clinton im Weißen Haus an, um über die Hilfe für Haiti zu beraten. Unterdessen wurde US-Außenministerin Hillary Clinton in Port-au-Prince erwartet, um sich persönlich ein Bild der Lage zu verschaffen.

Kämpfe um Nahrungsmittel
Für die Überlebenden wird die Lage unterdessen zunehmend verzweifelt. Am Freitag häuften sich die Meldungen von Plünderungen. Junge Männer liefen mit Macheten durch die Straßen. Es kam zu Kämpfen um Nahrungsmittel, die aus Trümmern von Gebäuden gezogen wurden. Der Fahrer eines Lastwagens mit Wasservorräten schilderte, wie er in einem Armenviertel von einer aufgebrachten Menge angegriffen wurde. "Wenn die Lage nicht bald kontrolliert wird, wird es zum Chaos kommen", sagte der Helfer Steve Matthews von der Organisation World Vision.

Massengrab für dutzende Leichen
Auf einem Friedhof vor der Stadt luden Lastwagen Dutzende Leichen in ein Massengrab. Im Süden der Stadt verbrannten Arbeiter mehr als 2.000 Leichen auf einer Müllhalde. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) schätzt, dass 45.000 bis 50.000 Menschen ums Leben gekommen sind.

Versorgung der Verletzten kritisch
Die Versorgung der Verletzten war weiter kritisch. Vor einem Zentrum der Organisation Ärzte ohne Grenzen starben rund 100 Menschen, während sie auf medizinische Behandlung warteten, wie der Leiter der Vertretung, Stefano Zannini, telefonisch mitteilte. Die häufigste Verletzung seien offene Knochenbrüche. Mehr als 3.000 Verletzte wurden zur Behandlung in die benachbarte Dominikanische Republik gebracht.

"Ohne Hilfe werden alle sterben"
Unterdessen landete eine Maschine mit 250 medizinischen Helfern aus Israel, die mit den Arbeiten zur Errichtung eines Feldlazaretts begannen. Vor dem eingestürzten Präsidentenpalast harrten mehrere tausend Obdachlose in einem Zeltlager aus. Wenn keine Hilfe komme, klagte die 21-jährige Straßenhändlerin Rivia Alce, "werden wir alle sterben."

30 Prozent aller Gebäude zerstört
Bei der Auswertung von Satellitenaufnahmen stellten die Vereinten Nationen fest, dass mindestens 30 Prozent aller Gebäude in der Hauptstadt Port-au-Prince beschädigt oder zerstört wurden. In einigen besonders schwer betroffenen Vierteln sind es 50 Prozent und mehr. Die UN baten die internationale Staatengemeinschaft um eine Soforthilfe von 550 Millionen Dollar. Demnach sind drei Millionen Menschen dringend auf Nahrungsmittel, Wasser, Unterkunft und medizinische Notversorgung angewiesen.

Das Erdbeben in Haiti ist nach UN-Angaben die schlimmste Katastrophe, mit der die Vereinten Nationen jemals zu tun hatten. Diese Einschätzung traf die Sprecherin des Büros zur Koordinierung humanitärer Einsätze, Elisabeth Byrs, am Samstag in Genf.

10 Österreicher nicht auffindbar
Laut dem heimischen Außenamt werden derzeit noch etwa zehn Österreicher gesucht, die in Haiti gewesen sein könnten. Ihr Aufenthaltsort während des Bebens ist laut Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal völlig unbekannt, daher gelten sie nicht als vermisst. Es wird davon ausgegangen, dass sie sich auch in einem anderen Staat befinden könnten. Knapp 30 Österreicher - Auswanderer und Mitarbeiter internationaler Organisationen - haben die Katastrophe unbeschadet überlebt. Eine 61-jährige Linzerin, Mitarbeiterin des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED), starb.

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