Gegengewalt

30 Tote bei Angriffen auf Moscheen

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Nach der verheerenden Anschlagserie in Bagdads Schiiten-Vorstadt Sadr City mit bis zu 200 Toten haben am Freitag Schiiten mit blutiger Gegengewalt reagiert.

In Bagdad wurden nach Polizeiangaben mehrere sunnitische Moscheen Ziel von Bewaffneten, 30 Menschen wurden getötet. Ein Korrespondent des Nachrichtensenders Al-Arabiya berichtete von schweren Zusammenstößen im nördlichen Stadtteil Hurriya, nachdem Bewaffnete allein dort vier Moscheen in Brand gesteckt hätten. Es habe zahlreiche Tote und Verletzte gegeben, meldeten irakische Medien unter Berufung auf Augenzeugen.

Wohnhäuser in Brand gesetzt
Anrainern zufolge setzten die Angreifer auch Wohnhäuser in Brand. "Sie haben mit Panzerfäusten auf die Moscheen geschossen und aus Maschinengewehren gefeuert." Hilferufe der Anwohner gingen ins Leere - Krankenwagen und Feuerwehr fuhren wegen der gefährlichen Situation nicht zum Anschlagsort.

Politiker rufen zur Mäßigung auf
Die politischen Führer der Sunniten und Schiiten im Irak riefen ihre Anhänger zur Mäßigung auf. Auch das geistliche Oberhaupt der irakischen Schiiten, Großayatollah Ali Husseini al-Sistani, appellierte nach Angaben des Staatsfernsehens an alle Iraker, keine Vergeltung zu üben. Die Regierung bemühe sich um ein Treffen der politischen Führer im Land, um die angespannte Lage unter Kontrolle zu bringen, sagte Vize-Ministerpräsident Salam al-Subai dem Sender Al-Arabiya.

Schiiten-Prediger kämpferisch
Einzig der radikale Schiiten-Prediger Muqtada (Moktada) al-Sadr, der in dem Bagdader Vorort Sadr City (Madina al-Sadr) seine größte Gefolgschaft hat, gab sich am Freitag kämpferisch. Bei seiner Freitagspredigt in der mittelirakischen Stadt Kufa forderte er vom Vorsitzenden des sunnitischen Rates der Religionsgelehrten, Harith al-Dhari, eine Fatwa (islamisches Rechtsgutachten), das die Tötung von Schiiten verbiete.

Regierungsrückzug angedroht
Die Abgeordneten und Minister der Sadr-Bewegung drohten indes ihren Rückzug aus Regierung und Parlament an, falls sich Ministerpräsident Nuri al-Maliki wie geplant am kommenden Mittwoch in Amman mit US-Präsident George W. Bush treffen sollte. Maliki steht unter Druck der USA, Sadrs Mahdi-Armee und andere schiitische Milizen zu entwaffnen, die nach US-Angaben Teile der Armee und der Polizei kontrollieren. Andererseits ist der Regierungschef auf die Unterstützung der schiitischen Privatarmeen angewiesen.

Selbstmord-Attentäter im Norden
In Tel Afar im Norden des Landes sprengten sich am Morgen zwei Selbstmordattentäter auf zwei Automärkten in die Luft. Krankenhausärzte zählten 24 Tote und 45 Verletzte. In Bagdad feuerten Unbekannte nach Angaben des Rates der Religionsgelehrten mehrere Mörsergranaten auf den Sitz der sunnitischen Vereinigung. Der zur Sadr-Bewegung gehörende Parlamentsabgeordnete Nosab al-Rubai sagte dem Sender Al-Jazeera, die sunnitischen Extremisten und die US-Besatzer seien zwei Seiten der gleichen Medaille.

Anschlags-Opfer beigesetzt
In Sadr City wurden unterdessen die Opfer der Anschläge vom Vortag beigesetzt. In den anderen Vierteln von Bagdad blieben die Iraker wegen einer am Donnerstag verhängten unbefristeten Ausgangssperre zu Hause. Die Anzahl der Opfer stieg auf 202 Tote und rund 250 Verletzte. Auf Straßen und Plätzen des dicht bewohnten Bagdader Vororts, in dem etwa zwei Millionen Menschen leben, waren am Donnerstag kurz hintereinander sechs Autobomben detoniert und mehrere Mörsergranaten eingeschlagen.

UNO und EU in großer Sorge
Der UNO-Sondergesandte für den Irak, Ashraf Qazi, sprach in einer in New York veröffentlichten Erklärung von "verabscheuenswürdigen Gewaltverbrechen". Diese drohten die Kluft zwischen Schiiten und Sunniten weiter zu vertiefen und das Land "jeder Aussicht auf eine Zukunft in Frieden, gegenseitiger Toleranz und Einheit" zu berauben. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner zeigte sich "zutiefst besorgt" über die zunehmende Gewalt im Irak. Sie erklärte in Brüssel, die EU wolle dem Irak weiter bei der Schaffung von Frieden, Stabilität und Wohlstand helfen.

USA verurteilen Anschläge
Die USA verurteilten die Anschläge vom Vortag und sprachen von "sinnlosen Taten", die auf eine Destabilisierung des Landes abzielten. "Die USA engagieren sich weiter, um dem irakischen Volk zu helfen", sagte ein Sprecher des Präsidialamtes.

Ausgangssperre teils ignoriert
Die von der irakischen Regierung verhängte Ausgangssperre wurde zum Teil ignoriert. In Sadr City kam es zu Kämpfen zwischen Bewaffneten und US-Soldaten, wie Anwohner und ein schiitischer Abgeordneter übereinstimmend berichteten. Möglicherweise habe es auch einen Luftangriff gegeben, hieß es weiter.

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