"Justiz verfolgt mich immer vor den Wahlen", meint Berlusconi.
Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi hat empört auf die Mailänder Staatsanwaltschaft reagiert, die einen neuen Prozess wegen Unterschlagung gegen ihn beantragen könnte. In den Sog der Ermittlungen geriet auch Berlusconis Sohn Piersilvio, dem Steuerbetrug vorgeworfen wird. Die Staatsanwälte gingen dem Verdacht auf illegale Machenschaften beim Kauf von Filmrechten durch die Berlusconi eigene TV-Gruppe Mediaset nach. "Das ist ein weiterer Beweis der Justizverfolgung gegen mich. Diesmal nimmt man auch meine Familie ins Visier", betonte Berlusconi nach Angaben der römischen Tageszeitung "La Repubblica" vom Samstag.
"Justiz in Italien ist tot"
Laut Berlusconi wollen
politisch beeinflusste Staatsanwälte ihm vor den Regionalwahlen im März
schaden. "Jedes Mal vor den Wahlen macht man mir solche Geschenke",
kommentierte Berlusconi. Empört zeigten sich auch seine engsten Mitarbeiter.
"Die Justiz ist in Italien tot. Wer kann noch diesen Staatsanwälten
vertrauen und glauben, sie würden die Wahrheit suchen?", fragte
Kulturminister Sandro Bondi. Italienische Medien sprachen von einem neuen
Kapitel im endlosen Krieg zwischen Berlusconi und der Mailänder
Staatsanwaltschaft, die der Premierminister diese Woche als
"Erschießungskommando" bezeichnet hatte.
Schwarzsummen auf geheime Bankkonten
Mit Hilfe des befreundeten
US-Filmproduzenten Frank Agrama soll Berlusconis Gruppe Filmrechte zu
überhöhten Preisen bezahlt haben, um Schwarzsummen auf geheime Bankkonten
hinterlegen zu können, lautet der Vorwurf der Mailänder Staatsanwaltschaft.
Damit hätte die Mediengruppe in den Jahren zwischen 2000 und 2005 100
Millionen Dollar (rund 70 Mio. Euro) auf Bankkonten in Steuerparadiesen
überweisen können. Berlusconis Rechtsanwalt Nicolo Ghedini bezeichnete die
Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten als absurd. Sie würden sich auf eine
Zeit beziehen, in der sich der Premierminister wegen seiner politischen
Verpflichtungen ganz aus dem Fernsehgeschäft zurückgezogen habe.
Vorwürfe seien unbegründet
Der Mediaset-Konzern, der
von Berlusconis beiden Kindern Piersilvio und Marina geleitet wird,
veröffentlichte eine Presseaussendung, in der jeglicher Vorwurf
zurückgewiesen wurde. Die Filmrechte, zu denen ermittelt werde, seien zu
Marktpreisen erworben worden. Alle Operationen seien in die Bilanzbücher des
Unternehmens eingetragen worden. Die Vorwürfe des Steuerbetrugs seien
absolut unbegründet.
Gegen Berlusconi laufen bereits zwei Prozesse in Mailand. Die Verfahren waren über ein Jahr lang ausgesetzt und im November wieder aufgenommen worden, nachdem das Verfassungsgericht ein von Berlusconis Koalition verabschiedetes Immunitätsgesetz zum Schutz des Premierministers vor Justizverfahren als rechtswidrig erklärt hatte.
Damoklesschwert
Über den Mailänder Staatsanwälten, die die
Prozesse gegen Berlusconi führen, hängt ein Damoklesschwert. Der Senat in
Rom hat am Mittwoch einen Gesetzesentwurf zur Verkürzung von
Gerichtsverfahren verabschiedet. Der aus drei Artikeln bestehende Entwurf
sieht vor, dass Prozesse in allen drei Instanzen insgesamt maximal sechs
Jahre dauern dürfen. Ein Prozess soll bereits zwei Jahre nach Beginn des
erstinstanzlichen Verfahrens verjähren, wenn es um Vergehen geht, die mit
maximal zehn Jahren Haft bestraft werden. Sollte das Gesetz auch von der
Abgeordnetenkammer verabschiedet werden, könnten beide Prozesse gegen den
Premierminister als verjährt erklärt werden.