Das EU-Parlament hat für eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin gestimmt.
401 Abgeordnete votierten am Donnerstag bei der Plenarsitzung in Straßburg für die deutsche EVP-Politikerin, 284 dagegen. Somit kann von der Leyen nun damit beginnen, gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten ihre Kommission zusammenzustellen. Die Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen stimmten laut eigenen Angaben dafür, die FPÖ dagegen.
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Es handelte sich um eine geheime Abstimmung. Von der Leyen dürfte aber vorrangig von den EU-Abgeordneten ihrer EVP-Fraktion sowie mit den Stimmen von den Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen gewählt worden sein. Die europäischen Grünen hatten kurz vor der Wahl auf der Online-Plattform X ihr Ja zu von der Leyen bekanntgegeben. Mit 401 Stimmen hat von der Leyen die nötige absolute Mehrheit von 360 der aktuell 719 Abgeordneten klar erreicht.
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Ein vorangegangener Antrag der linken Fraktion, die Wahl noch auf September zu verschieben, wurde dagegen abgelehnt. Dem Antrag wurde von 101 EU-Abgeordneten zugestimmt, 531 waren dagegen.
FPÖ waren fünf Jahre Von der Leyen genug
Für FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky waren "fünf Jahre Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin wirklich mehr als genug. Dass eine Koalition aus EVP, Sozialisten, Liberalen und Grünen ihr jetzt eine zweite Amtszeit spendiert, ist eine schlechte Nachricht für Europas Bürger. Denn das heißt: Noch mehr Zentralismus, noch mehr Dirigismus, noch weniger Freiheit. Deshalb haben wir auch gegen diese Postenbesetzung gestimmt." Von der Leyen habe in ihrer ersten Amtszeit "sämtliche Krisen der vergangenen Jahre genutzt, um den Machthunger der Brüsseler Zentralbürokratie durch immer mehr Kompetenzen zu befriedigen", erklärte der Sieger der Europawahl in Österreich.
Von der Leyens EVP-Kollege und ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Reinhold Lopatka zeigte sich in einer Aussendung erfreut über ihre Wiederwahl. "Die Absicherung des Wohlstands, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und besonders der KMU, mehr Zusammenarbeit für Sicherheit und Verteidigung, ein wirksamer Außengrenzschutz und die rasche Umsetzung des Asyl- und Migrationspakts stehen für sie und uns ganz oben auf der Agenda", so Lopatka.
Schieder: "Hetzern in Europa keine Chance lassen"
"Mit der heutigen Wahl haben wir gezeigt, dass wir es ernst meinen und den Hetzern in Europa keine Chance lassen. Rechtsstaatlichkeit, Frauenrechte und Demokratie werden weiterhin die Eckpfeiler unserer Gesellschaft sein", erklärte auch SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder seine Zustimmung. "Es ist uns gelungen, dass leistbares Wohnen in den nächsten Jahren einen EU-Schwerpunkt bilden wird, mit einem zuständigen EU-Kommissar, einem ,European Affordable Housing Plan' und massiven Investitionen in Wohnbau und Sanierung."
Auch die grünen EU-Abgeordneten Thomas Waitz und Lena Schilling haben laut eigenen Angaben für von der Leyen gestimmt. "Ursula von der Leyens Ankündigungen im Agrarbereich wie faire Preise für Bäuer*innen und der Kampf gegen unfaire Handelspraktiken sind erste Schritte, um das Überleben der klein- und mittelständische Bauernbetriebe in Europa zu sichern", erklärte Waitz seine Entscheidung. "Sie hat sich klar zum Green Deal und zur Reduktion der CO2-Emissionen bis 2040 bekannt", sagte Schilling dazu.
"Europa braucht eine Führung, die demokratische Werte und die europäische Einheit garantiert. Bei Bedrohungen von innen und außen müssen wir zusammenrücken. Frau von der Leyen hat klar versprochen, dafür zu arbeiten und wir nehmen sie beim Wort", erklärte Helmut Brandstätter, Delegationsleiter der NEOS im EU-Parlament. "Deswegen haben wir heute unsere demokratische Verantwortung wahrgenommen und trotz einiger Vorbehalte Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin gewählt."
Kritik an Orbán
Von der Leyen hatte ihre Bewerbungsrede im Europaparlament für scharfe Kritik am ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán genutzt. "Diese sogenannte Friedensmission war eine reine Appeasementmission" (deutsch: Beschwichtigungsmission; wohl eine Anspielung auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg), sagte sie unter Applaus, aber auch Protest-Rufen mit Blick auf Orbáns umstrittene Moskau-Reise.
Von der Leyen nannte Orbán nicht direkt, sondern sprach lediglich von einem "europäischen Ministerpräsidenten". Allerdings war klar, wen sie mit ihrer Aussage meinte. In Richtung Ungarn betonte sie zudem, dass für das Erhalten von EU-Geldern "immer die Rechtsstaatlichkeit respektiert sein muss". Wegen Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit sind nach wie vor Milliarden an für Ungarn bestimmte EU-Gelder eingefroren.
Schon vor der Sitzung hatte sie "Leitlinien" für ihre künftige Amtszeit veröffentlicht. Die Prioritätensetzung bleibt ähnlich wie bisher: Der Asyl- und Migrationspakt soll umgesetzt und die Außengrenzen der EU gestärkt werden. Ein neuer gemeinsamer Ansatz soll mehr Rückführungen ermöglichen. Sie kündigte zudem an, die Mitarbeiterzahl der EU-Grenzagentur Frontex auf 30.000 zu erhöhen.
In ihrer Rede kündigte sie auch einen eigenen EU-Kommissar an, der sich mit dem Thema leistbaren Wohnen beschäftigen soll. Dies kann als Zugeständnis an die sozialdemokratische S&D-Fraktion gewertet werden. Sie sagte weiter, dass sie den Green Deal für Klimaschutz stärken wolle, kündigte aber auch einen Vorstoß für Ausnahmen beim Verbrenner-Aus für E-Fuels an. Dies ist im Sinne Österreichs beziehungsweise der Kanzlerpartei ÖVP, die sich gegen ein komplettes Verbrenner-Aus positioniert hat. Für die Landwirtschaft wolle sie einen Plan vorlegen, um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Zudem bekräftigte sie ihre Ankündigung, einen eigenen EU-Verteidigungskommmissar zu schaffen. Auch soll Europol zu einer richtigen EU-Polizeibehörde ausgebaut werden