In Umfragen lag Barack Obama vorn - doch Hillary Clinton holte auf: Die New Yorker Senatorin gewann überraschend die Vorwahl in New Hampshire.
Entgegen allen Umfrage-Werten hat Hillary Clinton im US-Präsidentschaftswahlkampf ein Comeback gefeiert. Bei der Vorwahl in New Hampshire setzte sich die 60-Jährige gegen ihren schärfsten innerparteilichen Rivalen, Barack Obama, durch. Die zweite Runde im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten ging mit 39 zu 36 Prozent oder knapp 8000 Stimmen Unterschied knapp zugunsten der Ex-First Lady aus. Bei den Republikanern meldete sich der vor Monaten bereits komplett abgeschriebene Senator John McCain zurück. Der Vietnam-Veteran (71) setzte sich mit klarem Vorsprung durch und kam auf 37 Prozent, fünf Prozentpunkte vor dem Ex-Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney. Dritter wurde Mike Huckabee (11 Prozent), der in der Vorwoche noch klar in Iowa gewonnen hatte.
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Edwards mit 17 Prozent
Den dritten Platz bei den Demokraten
sicherte sich John Edwards mit 17 Prozent. Der Kandidat für das Amt des
Vizepräsidenten aus dem Jahr 2004 war bereits in Iowa Dritter. Die
Meinungsforscher hatten Hillary Clinton nach ihrer schweren Niederlage zum
Auftakt der Vorwahlen in Iowa zuletzt teilweise mehr als zwölf Punkte hinter
dem favorisierten schwarzen Senator aus Illinois gesehen. Nach ihrem
enttäuschenden dritten Platz bei der Vorwahl in Iowa und Meinungsumfragen,
die Obama auch einen Sieg in New Hampshire prophezeit hatten, kam der Sieg
für die Frau von Ex-Präsident Bill Clinton völlig unerwartet. Zuletzt hatte
sogar ihr eigenes Wahlkampfteam überlegt, die nächsten Vorwahlrunden
auszulassen, um sich neu aufzustellen.
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Bei den Republikanern erreichte McCain auf 37 Prozent der Stimmen, klar vor Romney mit 32 Prozent und dem Baptistenprediger und Überraschungssieger von Iowa, Huckabee. Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, der in landesweiten Umfragen einer der Favoriten ist, aber in New Hampshire nur wenig Wahlkampf gemacht hatte, kam auf 9 Prozent.
Wettstreit voll entbrannt
Damit ist in beiden Parteien der
Wettstreit um die Präsidentschaftskandidatur wieder völlig offen. Bei den
Demokraten läuft es auf einen Zweikampf zwischen Clinton und Obama hinaus.
Bei den Republikanern kristallisiert sich hingegen immer noch kein
Favoritenfeld heraus. Demnach darf auch der New Yorker Ex-Bürgermeister
Giuliani, der in New Hampshire Platz vier erreichte, weiter hoffen. Mit
einer Vorentscheidung wird erst am 5. Februar, dem "Super Tuesday",
gerechnet. Dann halten mehr als 20 Bundesstaaten ihre Vorwahlen ab.
Entscheidend für den Erfolg Clintons war wohl, dass die Senatorin in den vergangenen Tagen eine menschlichere Seite in der Öffentlichkeit zeigte."Ich habe Euch zugehört und dabei habe ich meine eigene Stimme gefunden", rief Clinton ihren jubelnden Anhängern in Manchester zu. "Ich habe das Gefühl, dass wir alle unsere Herzen sprechen ließen und ich bin so dankbar, dass Ihr darauf eingegangen seid. Jetzt lasst uns zusammen Amerika das Comeback geben, das New Hampshire mir gerade gegeben hat." Bei den Wählern, die Erfahrung des Kandidaten als wichtigstes Kriterium nannten, setzte sich Clinton laut einer Umfrage mit 71 Prozent gegen Obama durch, der auf fünf Prozent kam.
Hillary zeigt Gefühle
Bisher litt Clinton vor allem unter
ihrem Image, kühl und berechnend zu sein. Doch nach ihrer Schlappe in Iowa
zeigte sie sich bei Wahlkampfauftritten auch wütend und einmal den Tränen
nah. Sie konnte besonders bei Frauen und Senioren punkten. Obama gelang es
hingegen nicht, wie in Iowa vor allem jüngere Wähler zu mobilisieren und
sich so als klarer Favorit der Demokraten zu etablieren. Dennoch schlug er
kämpferische Töne an. "Ich bin immer noch Feuer und Flamme und bereit
loszulegen", versicherte der 46-Jährige seinen Anhängern. Vor einigen Wochen
habe kaum jemand gedacht, dass er so gut abschneiden werde. "Es passiert
etwas in Amerika."
Erster schwarzer US-Präsident?
Obama schickt sich an,
erster schwarzer Präsident der USA zu werden, Clinton will als erste Frau an
die Spitze der Vereinigten Staaten rücken. McCain wäre dagegen mit 71 Jahren
der älteste Kandidat, der je eine erste Amtszeit als Präsident antreten
würde. Als "Comeback Kid" könne er denn auch kaum durchgehen, scherzte er.
"Aber heute Abend haben wir den Leuten gezeigt, wie ein echtes Comeback
aussieht." Viele Experten hatten McCain abgeschrieben, nachdem ihm im Laufe
der Vorbereitungen auf die Vorwahlen das Geld ausging und er in den Umfragen
immer weiter zurückfiel. McCain hatte bereits vor acht Jahren in New
Hampshire die Vorwahl gewonnen - gegen den späteren Präsidenten George W.
Bush.
Republikaner
Bei den Republikanern könnte in den Südstaaten
Huckabee noch einmal Erfolge feiern, da dort wie in Iowa viele religiös
Konservative leben. Und auch der Demokrat John Edwards rechnet sich
ungeachtet seines dritten Platzes in New Hampshire weiter Chancen aus. "Wir
haben noch 48 Staaten vor uns", ermutigte er seine Anhänger. Das Augenmerk
der Bewerber richtet sich nun auf Michigan, Nevada, South Carolina und
Florida, wo noch im Jänner Vorwahlen ausgetragen werden. Gerade in South
Carolina könnte es schon zu entscheidenden Machtproben kommen. Die große
Frage bei den Demokraten ist, wie die schwarze Bevölkerung dort abstimmt.
Sie tendiert zu Hillary Clinton, insbesondere weil ihr Mann Bill bei den
Schwarzen hohes Ansehen genießt. Mit Obama bietet sich jedoch erstmals ein
Afroamerikaner an, dem echte Chancen für das Weiße Haus eingeräumt werden.
Super-Tuesday
Erster wirklich entscheidender Termin vor dem
"Super Tuesday" Anfang Februar ist nach Meinung von Experten die Vorwahl im
bevölkerungsreichen Florida am 29. Jänner. Am "Super-Dienstag", am 5.
Februar, gibt es in über 20 Bundesstaaten Vorwahlen. Endgültig werden die
Kandidaten erst bei den Wahl-Parteitagen der Demokraten und Republikaner
Ende August/Anfang September nominiert.