Fixer Ratspräsident, kleinere Kommission, eingeschränktes Veto: Lesen Sie hier die Eckpunkte des EU-Reformvertrages.
Bürgerrechte in Zukunft einklagbar
Im neuen EU-Vertrag ist
erstmals die Grundrechtscharta verankert. Diese ergänzt mit 54 Artikeln die
Europäische Menschenrechtskonvention. Nun sind im Vertrag soziale Rechte
festgeschrieben, die unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung oder in
einer globalisierten Arbeitswelt in Gefahr geraten waren. So sind etwa der
„Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung“ oder das „Recht auf angemessene
Arbeitsbedingungen“ festgeschrieben. Auch der „Schutz von personenbezogenen
Daten“ findet Eingang in die Charta und damit in den Vertrag. Wer ein Recht
verletzt sieht, kann beim Europäischen Gerichtshof klagen. Diesem ist auch
die konkrete Auslegung der oft schwammigen Formulierungen überlassen.
Verkleinerte Kommission mit mehr Handlungsfähigkeit
Eine
Union mit 27 Mitgliedsstaaten verlangt eine straffere Organisation. Deswegen
kann nicht mehr jeder Staat einen Kommissar stellen, sondern nur noch zwei
Drittel der Mitglieder, was derzeit eine Anzahl von 18 Kommissaren ergibt.
Diese müssen ihre Gesetze auf Verlangen des Parlaments künftig begründen
können.
Parlament mit weniger Sitzen aber mehr Mitsprache
Erstmals
erhält das Parlament Mitsprache in den Bereichen Inneres und Justiz. Wie die
Kommission wird es verkleinert. Es umfasst nur noch 750 statt bisher 785
Sitze. Italien verlor dabei überproportional viele Sitze, wogegen es sich
heftig wehrte.
Weniger Einstimmigkeit, mehr Mehrheits-Beschlüsse
Prinzip
der „Doppelten Mehrheit“. Ab 2014 gilt mit einer Übergangsfrist bis 2017 das
Prinzip der „Doppelten Mehrheit“. Danach erfordern EU-Beschlüsse im
Ministerrat eine Mehrheit von 55 Prozent der Staaten, die 65 Prozent der
EU-Bevölkerung umfassen.
Direkte Demokratie durch europaweite Volksbegehren
Ein echtes
neues Bürgerrecht ist die Möglichkeit zu einem EU-weiten Volksbegehren. Wird
es von mindestens einer Million Europäern unterzeichnet, sollte sich die
Kommission mit dem Anliegen befassen. Sie ist dazu allerdings nicht
verpflichtet.
Reform-Vertrag erschwert Beitritt der Türkei
Mit dem
Reform-Vertrag sollte auch das Beitritts-Prozedere der nächsten Kandidaten
erleichtert werden. Kroatien soll bereits um 2010 beitreten. Dauerbrenner
bleibt der Beitritt der Türkei: Durch die Grundrechtscharta wird dieser
erschwert.
Neuer Job für Staatsmänner: Ratspräsident der EU
Der
europäische Rat wählt einen Vorsitzenden, der für zweieinhalb Jahre im
Dienst bleibt. Dieser soll EU-Gipfel und Treffen mit Drittstaaten
vorbereiten und nur als Vertreter der EU wahrgenommen werden. Der
halbjährlich rotierende Ratsvorsitz soll dennoch bestehen bleiben. Als
mögliche „Mr. EU“ werden ehemalige Staatsmänner wie der britische Ex-Premier
Tony Blair oder der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer gehandelt.
Eine Stimme der Außenpolitik: Der Hohe Repräsentant
Momentan
haben sowohl der EU-Außenbeauftragte Javier Solana als auch die
österreichische EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner außenpolitische
Kompetenzen. In Zukunft wird der Job zusammen gelegt. Ferrero-Waldner bleibt
noch bis 2009 im Amt. Als künftiger „Hohe Repräsentant für die Außenpolitik“
wird Solana gehandelt. Nach einer Umfrage erwarten 88 Prozent der Bürger,
dass die EU selbstbewusst mehr außenpolitische Verantwortung übernimmt –
etwa im schwelenden, neuen „Kalten Krieg“ zwischen Russland und den USA.
Weitere Herausforderungen: Die Schaffung einer EU-Armee und die Lösung des
Energie-Konflikts mit Russland.