Diplomaten: Johnson-Vorschlag muss überarbeitet werden.
Brüssel/London. Die EU reagiert hinter den Kulissen zurückhaltend auf die neuen Vorschläge aus Großbritannien zur Lösung des Brexit-Streits. Die Ideen zur Gestaltung der Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland seien kein Durchbruch, sondern bestenfalls der Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen zwischen Premier Boris Johnson und der EU, sagte EU-Vertreter- und Diplomaten Donnerstag in Brüssel.
"Es müsste grundlegend überarbeitet werden", sagte einer von ihnen. Dafür bliebe vor dem entscheidenden EU-Gipfel in zwei Wochen und angesichts der komplexen Materie wenig Zeit. Klärung soll es am Freitag geben, wenn die EU-Kommission, die die Brexit-Verhandlungen mit London führt, britische Vertreter befragen will.
Johnson hatte am Mittwoch neue Vorschläge für den Ausstiegsvertrag mit der EU vorgelegt. Hauptstreitpunkt ist seit Jahren die Grenze auf der irischen Insel, die nach dem Brexit zu einer EU-Außengrenze würde, wo Waren und Personen eigentlich kontrolliert werden müssten. Die EU will Grenzanlagen um jeden Preis verhindern, sorgt sich aber gleichzeitig, dass über eine unbewachte 500 Kilometer lange Grenze Billiggüter in den EU-Binnenmarkt gelangen könnten.
Johnson schlägt nun vor, auf der gesamten irischen Insel in bestimmten Bereichen des Handels einheitliche Regeln zu schaffen. Praktisch würde das etwa bedeuten, dass Lebensmittel, Agrarprodukte und Nutztiere aus Nordirland weiter EU-Regeln unterliegen. Nur so können sie problemlos nach Irland und damit in den Rest der Union exportiert werden. Gleiches soll für verarbeitete Güter gelten. Nordirland würde aber das Zollgebiet der EU verlassen.
Damit ist nach Ansicht von EU-Vertretern die Wiedereinführung von Kontrollanlagen zwischen dem Norden und dem Süden von Irland unvermeidlich. "Es (der Vorschlag) enthält keine vernünftige Lösung für das Zollproblem", sagte einer von ihnen.
Bedenken gibt es nicht nur in Brüssel. Frankreich warnt angesichts der britischen Brexit-Vorschläge vor Gefahren für den EU-Binnenmarkt. "Ich will keine Steuer-Oase vor den Türen Europas", sagte Europa-Staatssekretärin Amelie de Montchalin dem Sender C News.
In London erklärte der britische Brexit-Minister Stephen Barclay, es sei nun an der EU, auf die Vorschläge zu antworten und zu zeigen, wie flexibel die Gemeinschaft sei. Er bekräftigte, sein Land wolle spätestens zum 31. Oktober notfalls auch ohne Vertrag aus der EU ausscheiden. Eine Verlängerung der Verhandlungen mit der EU-Kommission lehnte er ab.