Der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen rechnet in der ZIB2 nicht damit, dass Israel mit einem Gegenschlag auf den iranischen Angriff reagieren wird. Er sprach auch über Putin und die Ukraine.
"Es gibt immer ein Risiko, aber hier ist es minimal", sagt Rasmussen in der ZIB2. "Ich wäre überrascht, wenn Israel zurückschlagen würde", so Rasmussen zu Armin Wolf. Die Iraner hätten erklärt, dass sie die Angelegenheit an sich als erledigt betrachteten, "und ich bin froh, dass 99 Prozent der Raketen abgeschossen worden sind. Damit kann Israel durchaus zufrieden sein".
"Vermehrte Kämpfe gegen Houthis oder Hisbollah im Libanon"
"Der Iran steckt hinter fast allen Krisen in der Region", sagt Rasmussen. So hätten viele Kräfte in der Region ein Interesse daran, Israel zu helfen und Irans Aggression einzudämmen.
Der ehemalige dänische Ministerpräsident, der von 2009 bis 2014 an der Spitze des Nordatlantik-Bündnisses stand, sagte: "Es dient nicht den Interessen Israels, es dient nicht den Interessen der internationalen Gemeinschaft, wenn sich dieser Konflikt zu einem breiten, offenen regionalen Krieg ausweitet." Es könnte zwar sehr wohl "zu intensivierten Kämpfen zwischen Israel und den iranischen Proxies - den Houthi, der Hamas, der Hisbollah - kommen", meinte Rasmussen. "Aber ich würde keinen direkten bewaffneten Konflikt zwischen Israel und dem Iran erwarten."
Eine Rolle für die NATO sieht der ehemalige Generalsekretär in der aktuellen Lage in Nahost nicht. Längerfristig gedacht sei jedoch eine Zwei-Staaten-Lösung "die einzig nachhaltige Lösung für den Nahost-Konflikt", und zum Monitoring eines entsprechenden Friedensschlusses könnte aus Sicht Rasmussens eine internationale Friedenstruppe vonnöten sein. "In diesem Sinne könnte die NATO natürlich, vielleicht mit anderen internationalen Kräften, eine Rolle spielen. Aber hier und jetzt? Nein, ich glaube nicht, dass die NATO eine Rolle zu spielen hat."
Der Ukraine bei der Luftabwehr zu helfen "vollkommen vereinbar mit internationalem Recht"
Die Raketenabwehr könnte man wie in Israel auch in der Ukraine ausbauen. "Die Ukraine hat das Recht sich selbst zu verteidigen und alle Verbündeten um Hilfe bei seiner Verteidigung zu bitten. Bei der Luftabwehr zu helfen, das ist vollkommen vereinbar mit internationalem Recht."
"Ukraine kann Russen vertreiben"
"Wir müssen der Ukraine neben Kampfpanzern und Flugzeugen auch Langstrecken-Raketen geben. Warum geben die Deutschen und die US-Amerikaner ihre Langstrecken-Raketen nicht der Ukraine? Bei voller Unterstützung kann die Ukraine die Russen von ihrem Land vertreiben."
"Ukraine kann den Krieg gewinnen"
Nach Vorhersagen zum Verlauf des Krieges in der Ukraine befragt betonte Rasmussen, der sich auf Einladung der Industriellenvereinigung (IV) in Kooperation mit der Oberbank in Wien aufhielt, die Wichtigkeit der internationalen Unterstützung für das von Russland angegriffene Land. "Wenn wir liefern, was die Ukrainer brauchen - nicht nur, um zu überleben, sondern was sie tatsächlich brauchen, um die Russen aus dem ukrainischen Territorium hinauszuwerfen -, dann glaube ich, dass eine reelle Chance besteht, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen könnte. Bisher waren wir viel zu zögerlich, den Ukrainern das zu liefern, was sie brauchen."
"Wir sollten Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschließen"
Die Unterstützung für die Ukraine darf aus Sicht Rasmussens nicht nachlassen, auch wenn es in vielen Ländern Diskussionen darüber gebe. "Aber wir müssen konsequent bleiben." Man dürfe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin keinen Erfolg in der Ukraine ermöglichen. "Wenn wir akzeptieren, dass sich ein großes Land einfach Territorium von seinen kleineren Nachbarn nimmt, dann sendet das ein extrem gefährliches Signal an die ganze Welt."
"Wir sollten Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschließen", sagt Rasmussen. Für ihn wäre es "eine neue Sicherheitsarchitektur, wenn die Ukraine der NATO beitritt". Dies wäre freilich "präzedenzlos und auch eine Herausforderung", weil sich das Land ja im Krieg befinde.
Klare Botschaft an Putin
Rasmussen glaubt, die Einladung zum Nato-Beitritt an die Ukraine "würde den Weg zum Frieden ebnen, weil es eine klare Botschaft an Putin senden würde: Was auch immer Sie tun, was auch immer Sie denken, Sie können eine ukrainische Mitgliedschaft in der NATO nicht verhindern. Also sollte er besser die Feindseligkeiten beenden."