Sollte Amtsinhaber im EU-Parlament scheitern will der Franzose Kommissionspräsident werden.
Auch unter den EU-Staats- und Regierungschefs wachsen offenbar die Zweifel an einer zweiten Amtszeit von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Wie die Pariser Tageszeitung "Le Monde" unter Berufung auf einen ungenannten französische Minister berichtet, bringt sich der konservative Ministerpräsident Francois Fillon als Ersatzkandidat für Barroso in Stellung, sollte dieser keine Mehrheit im EU-Parlament finden. Die 27 EU-Regierungen hatten Barroso im Juli einmütig für eine weitere Amtszeit nominiert, die erforderliche Zustimmung des Europaparlaments steht aber noch aus.
Scheitern
"Francois Fillon erwägt die Möglichkeit eines
Scheiterns von Barroso", wird der Regierungskollege des französischen
Premiers von "Le Monde" zitiert. "Das ist keine dumme Idee, doch scheint sie
weiterhin wenig wahrscheinlich", fügte er hinzu. Der Zeitung zufolge könnte
Fillons Kandidatur aktuell werden, wenn sich das Tauziehen um Barroso im
Europaparlament bis in den Oktober hinein verzögert oder ein weiteres Nein
der Iren zum EU-Reformvertrag die Europäische Union in eine tiefe
institutionelle Krise stürzt. Irland stimmt am 2. Oktober neuerlich über den
bereits im Juni 2008 abgelehnten Vertrag ab.
Frankreich zurückhaltend
Fillons angebliche
Brüssel-Ambitionen wurden in Paris auffallend zurückhaltend dementiert. "Das
ist eine theoretische Möglichkeit", sagte ein Regierungssprecher zum "Le
Monde"-Bericht. Er fügte aber hinzu, "dass sich Francois Fillon für Europa
interessiert". Ein hoher Diplomat im französischen Außenministerium sagte,
dass Barroso zwar "70-prozentige Chancen" auf eine Wahl durch das
Europaparlament am 16. September habe. Sollte der Amtsinhaber aber keine
Mehrheit zustande bringen, "dann ist alles möglich".
Kampf um Stimmen
Barroso wirbt seit Montag bei den einzelnen
Fraktionen im Europaparlament um Zustimmung für ein weiteres fünfjähriges
Mandat an der Spitze der Brüsseler Behörde. Der portugiesische Ex-Premier
wird von der größten Fraktion, jener der Europäischen Volkspartei (EVP),
unterstützt. Sie stellt aber nur 265 der 736 EU-Parlamentarier. Barroso
bemüht sich daher um die Unterstützung der Sozialdemokraten (184
Abgeordnete), Liberalen (88 Abgeordnete) sowie der neuen euroskeptischen
Rechtsfraktion um die britischen Tories (54).
Die Sozialdemokraten machen ihre Zustimmung von personellen und inhaltlichen Zugeständnissen abhängig, ähnlich wie die Liberalen, deren Fraktionschef der im Jahr 2004 im Rennen um den Kommissionschefposten von Barroso ausgestochene belgische Ex-Premier Guy Verhofstadt ist. Die neue Rechtsfraktion wiederum will Barroso nur dann wählen, wenn er auf die Unterstützung der Sozialisten verzichtet. Unklar ist auch, nach welchen Regeln die Wahl Barrosos durchgeführt werden soll. Genügt nach dem geltenden EU-Vertrag von Nizza eine einfache Mehrheit, schreibt der neue EU-Reformvertrag eine absolute Mehrheit aller Abgeordneten (369 von 736 Stimmen) vor.