Im ZIB2-Interview spricht der aus Österreich stammende Ökonom Gernot Wagner über den politischen Druck auf Harvard. Er analysiert die Rolle der US-Regierung und warnt vor Folgen für internationale Studierende.
"Ohne ausländische Studierende ist Harvard nicht Harvard." Mit diesem Satz bringt es der Leiter der renommierten Universität auf den Punkt. Klimaökonom Gernot Wagner, der in Harvard studiert hat und heute an der Columbia Business School lehrt, lässt im ZIB2-Interview keinen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist. Die Trump-Regierung will laut ihm nicht weniger als die Grundfesten der liberalen Wissenschaft in den USA angreifen.
Nun gibt es zumindest einen Dämpfer für das Weiße Haus. Eine US-Bundesrichterin hat das geplante Verbot für ausländische Studierende vorerst gestoppt. Die einstweilige Verfügung erlaubt es Harvard weiterhin, über ein spezielles Bundesprogramm internationale Studierende aufzunehmen. Es handelt sich jedoch nur um einen ersten Schritt in einem möglicherweise langen Rechtsstreit. Ein finales Urteil steht noch aus.
Widerstand gegen den politischen Angriff
Wagner schildert im Interview, dass sich Harvard von Anfang an klar gegen die Linie der Regierung gestellt hat. Columbia sei diesen Weg nicht gegangen. Dort würden Studierende bereits suspendiert, Proteste eingeschränkt und Studienpläne verändert. Für Wagner ist das gefährlich. Er sagt, man verhandle nur dann, wenn es ein konkretes Ziel gebe. In diesem Fall gehe es der Regierung aber schlicht um Zerstörung.
Die Behauptung, amerikanische Universitäten seien zu sehr von linker Ideologie durchdrungen, sei laut Wagner eine politische Ausrede. Wagner betont, dass viele Vorwürfe gegen Universitäten vorgeschoben seien. Antisemitismus müsse ernst genommen werden, und es gebe durchaus tragische Einzelbeispiele. Harvard selbst habe dazu einen ausführlichen Bericht vorgelegt, der sowohl antisemitische als auch antimuslimische Vorfälle am Campus dokumentiere. Es gehe darum, mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen Extremismus vorzugehen. Gleichzeitig bezweifelt Wagner, dass es der Trump-Regierung in diesem Fall wirklich um die Bekämpfung von Antisemitismus gehe. Vielmehr sehe er den Versuch, liberale Wissenschaft gezielt zu delegitimieren.
Internationale Studierende unter Druck
Harvard hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Maßnahme Klage eingereicht. Die Richterin folgte dem Argument, dass der Universität bei Umsetzung der Regierungsanordnung schwerer Schaden entstehe. Gut ein Viertel der Studierenden an Harvard stammt aus dem Ausland. Die größte Gruppe kommt aus China, gefolgt von Kanada, Indien, Südkorea und Großbritannien. Aus Österreich sind derzeit knapp 30 Studierende eingeschrieben.
Wagner warnt davor, wie sich solche Maßnahmen auf die Attraktivität amerikanischer Hochschulen auswirken. Wer heute entscheiden müsse, wo er oder sie im Herbst studiert, werde sich das gut überlegen. Für viele könnte Europa plötzlich die bessere Wahl sein. Auch er selbst stelle sich mittlerweile täglich die Frage, wie lange er noch in den USA bleiben werde. Er betont, dass es derzeit nicht um persönliche Sicherheit gehe. Das Gefährlichste sei in seinem Alltag nicht das Forschen, sondern Radfahren in New York. Trotzdem wachse das Gefühl, dass wissenschaftliche Freiheit unter Druck gerät.