Showdown im UNO-Hochhaus - Bush contra Ahmadinejad. Dieser überraschte mit der Erklärung, der Atomstreit sei nun beendet.
Der Fernseher in der Präsidentensuite des New Yorker Nobelhotels Waldorf Astoria blieb demonstrativ stumm. US-Präsident George W. Bush habe in seinem Hotelzimmer Besseres zu tun gehabt als der TV-Liveübertragung von Mahmoud Ahmadinejads Rede vor der UNO zu folgen, verriet seine Sprecherin Dana Perino. Diplomatischer Showdown im UNO-Hochhaus: Das Protokoll wollte es, dass Bush und sein Amtskollege aus dem Iran am selben Tag vom selben Pult zur Vollversammlung sprachen. Bush ging seinem Erzfeind aus dem Weg. Dieser bot eine Rede, die eine einzige bittere Anklage gegen die USA war. Es herrscht Krisenstimmung am East River. Nichts deutet auf eine baldige Lösung des brandgefährlichen Atomstreits hin.
Fernduell
Es war ein Fernduell mit zeitlicher Verzögerung.
Provokativ hatte sich der iranische Präsident ins Publikum gesetzt, als Bush
am Dienstag seine Vision vom Kampf gegen die Unterdrückung vor dem
UNO-Plenum ausbreitete. Der US-Präsident hingegen verließ den UNO-Bau vor
Ahmadinejads Rede. 40 Minuten lang spricht der Iraner, mehr als doppelt so
lang wie vom UNO-Protokoll vorgesehen. Seine Rede ist durchsetzt mit
Verweisen auf Gott. Theologische Formeln wechseln sich ab mit
Anschuldigungen gegen die "grobschlächtige Großmacht" USA und gegen den
UNO-Sicherheitsrat, der den Iran wegen seiner Nuklearambitionen mit
Sanktionen belegt hat.
Iran lässte IAEO-Überwachung zu
In der zentralen Frage
gab sich Ahmadinejad stur. Er erklärte den Atomstreit kurzerhand für
beigelegt. "In unseren Augen ist Irans Nuklearfrage als politische
Angelegenheit beendet", überraschte Ahmadinejad das Plenum. Die in Wien
ansässige Internationale Atomenergiebehörde (IAEA bzw. IAEO) dürfe
vertragsgemäß die Nuklearanlagen des Iran inspizieren, und damit sei die
Sache erledigt. Hinter dieser Formel verbirgt sich der Zorn Teherans
darüber, dass die USA und ihre Verbündeten im Atomstreit den
UNO-Sicherheitsrat eingeschaltet haben. Anders als die IAEA kann der Rat
Sanktionen verhängen: Er hat dies bereits zweimal getan, und in dieser Woche
wird über eine dritte Strafrunde beraten, weil der Iran trotz Verbots Uran
anreichert - möglicher Baustoff für Atomwaffen.
Für die Beratungen treffen sich die Außenminister der fünf UNO-Vetostaaten sowie Deutschlands am Freitag in New York. Erledigt ist die Krise also noch lange nicht. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte in ihrer Rede, die kurz nach Ahmadinejads folgte: "Wenn der Iran in den Besitz der Atombombe käme, dann hätte dies verheerende Folgen." Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bezeichnete einen atomar aufgerüsteten Iran als "unannehmbares Risiko". Sein Außenminister Bernard Kouchner hatte kürzlich hypothetisch von einer Eskalation bis zum Krieg gesprochen. Bush war in seiner Rede so sehr mit dem Ignorieren Ahmadinejads beschäftigt, dass er den Iran nur kurz erwähnte - als Teil einer Auflistung "brutaler Regimes".
Schwere Vorwürfe an die USA
Für den UNO-Sicherheitsrat
hatte Ahmadinejad nur Verachtung übrig. Das Gremium stehe unter der Kuratel
einer "kriegerischen Macht" - gemeint waren die USA. "Unter allen
ineffektiven Gremien steht der Sicherheitsrat an erster Stelle", stichelte
der Iraner. Der Rat habe etwa nicht die Invasion des Irak verhindert, wo die
USA die Grundrechte mit Füßen träten: "Leider werden die Menschenrechte
ausgiebig gerade von jenen Mächten verletzt, die sich als deren exklusive
Fürsprecher aufspielen", sagte Ahmadinejad.
Vielleicht stand der iranische Präsident noch unter dem Eindruck der ungewohnten öffentlichen Demütigung des Vortags. Die Elitehochschule Columbia hatte ihn zu einer Diskussion eingeladen. Rektor Lee Bollinger stellte Ahmadinejad dabei zur Rede: "Herr Präsident, Sie tragen alle Züge eines engstirnigen und grausamen Diktators." Unter dem Applaus der Studenten fuhr er fort: "Sie sind entweder waghalsig provokativ oder verblüffend ungebildet." Irritiert beschwerte sich Ahmadinejad in seiner Erwiderung über "die Welle der Beleidigungen und Beschuldigungen".